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date: 2013-04-29 21:44:00
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tags: Aufzeichnungen eines Pessimisten
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title: Das dunkle Wissenschaftsalter
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Gestern war die Philosophie die Magd der Theologie, heute hat man für die Kunst
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und Mystik das Wort „Geisteswissenschaft“ ausgedacht.
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layout: post
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date: 2013-05-25 06:16:00
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tags: Aufsatz
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title: Dubitō ergō nōn esse possim
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teaser: |
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Seit der Entstehung der Menschheit wunderte man sich über die Welt, die einen
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umgibt. Man fragte sich, wie die Umwelt funktioniert, was hinter den natürlichen
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Ereignissen steht, suchte nach Gesetzmäßigkeiten und legte auf diese Weise den
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ersten Grundstein für das Gebäude der Physik. Dieses Projekt war jedoch
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anscheinend so komplex, dass manche Philosophen sich wenige Jahrhunderte später
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die Ansicht aneigneten, dass es überhaupt keine Wahrheit sondern nur Schein und
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Täuschung gebe. Durch Grübelei und Diskutieren gelangte man schließlich zum
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Zentrum seines Daseins, zu seinem Selbst, und stellte sich nun die Frage: „Was
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bin ich? Habe ich zumindest eine sichere Erkenntnis, dass es mich selbst
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tatsächlich gibt, oder bin ich auch ein bloßer Schein, eine Selbsttäuschung?“
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\subsection{Der Heimweg ins Reich des Selbst}
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\epigraph{Nosce te ipsum.}{\textbf{Oraculum Delphis}}
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Seit der Entstehung der Menschheit wunderte man sich über die Welt, die einen
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umgibt. Man fragte sich, wie die Umwelt funktioniert, was hinter den natürlichen
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Ereignissen steht, suchte nach Gesetzmäßigkeiten und legte auf diese Weise den
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ersten Grundstein für das Gebäude der Physik. Dieses Projekt war jedoch
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anscheinend so komplex, dass manche Philosophen sich wenige Jahrhunderte später
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die Ansicht aneigneten, dass es überhaupt keine Wahrheit sondern nur Schein und
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Täuschung gebe. Durch Grübelei und Diskutieren gelangte man schließlich zum
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Zentrum seines Daseins, zu seinem Selbst, und stellte sich nun die Frage: „Was
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bin ich? Habe ich zumindest eine sichere Erkenntnis, dass es mich selbst
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tatsächlich gibt, oder bin ich auch ein bloßer Schein, eine Selbsttäuschung?“
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Die so für den gemeinen Menschen merkwürdige Frage nach dem eigenen Sein
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wurde schon so oft gestellt, obwohl nichts sicherer zu sein scheint, als, dass
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es mich, wie ich mich empfinde, tatsächlich gibt. „Sei du selbst!“ hört man oft.
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Was soll ich sein? Immer wieder versuchen die Philosophen auf diese Frage eine
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Antwort zu geben, abstrahieren sich von ihren Vorgängern, um ihre Fehler nicht
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zu erben und versuchen ihr System komplett und vollständig vom Anfang an
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aufzubauen.
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René Descartes erhob den Anspruch, das menschliche Denken auf einen festen
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Boden zu stellen. 1637 veröffentlichte er den „Discours de la Méthode“, wo er
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unter Anderem das Thema, was der Mensch ist und was der Mensch nicht ist,
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behandelt. Wie gründlich und sicher der von ihm gelegte Weg ist, möchte ich im
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Folgenden einer Prüfung unterziehen.
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\subsection{Kritik an Descartes' Grundsatz}
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\subsubsection{Die heimatlose Seele}
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\epigraph{%
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„Danach prüfte ich mit Aufmerksamkeit, was ich
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war, und sah, daß ich so tun konnte, als ob ich keinen Körper hätte und es weder
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eine Welt noch einen Ort gäbe, an dem ich mich befand\@. [\dots] Deshalb ist dieses
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Ich, d.h.\ die Seele, durch die ich das bin, was ich bin, vollkommen
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unterschieden vom Körper [\dots].“
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}{}
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Der Leib sei kein notwendiger Bestandteil des Menschen, da die Seele (die
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eigentliche Substanz, das Denkende) von keinem materiellen Ding
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abhänge.\footcite[59]{discours} Mein Vorstellungsvermögen
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reicht weder aus, um eine Seele, noch überhaupt etwas Nicht-Materielles
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vorzustellen. Descartes verwechselt einen Begriff mit einer Vorstellung. Man hat
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einen Begriff der Seele, aber keine Vorstellung davon, man hat einen Begriff der
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Unendlichkeit, aber keine Vorstellung des Unendlichen,\footnote{Übrigens
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entspringen die bekannten Paradoxa Zenos von Elea daraus, z.B. jenes, dass ein
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Stab in zwei Teile getrennt werden kann, einer dieser Teile noch in zwei und so
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ad infinitum. Es gibt folglich einen Begriff vom Unendlichen (unendlichen Teilen
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in diesem Beispiel), mit dem man jedoch nichts anfangen kann, weil keine
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Vorstellung gegeben ist. Wo das Fehlen der Vorstellung mit einem vorhandenen
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Begriff zusammenstößt, entsteht ein Parodoxon (eine Antinomie bei Kant).}
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einen Gottesbegriff, aber keine Vorstellung von Gott. Deswegen werden die
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Gespenster in den Filmen zwar nicht als Menschen dargestellt, aber als
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einigermaßen materielle Wesen, die man entweder sieht oder hört oder auf eine
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andere Weise spürt (etwas Anderes ist gar nicht vorstellbar); deswegen gibt es
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kirchliche Ikonen und Pilgerfahrten, weil man etwas Übersinnliches kaum verehren
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kann.
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\subsubsection{Meine Gedanken sind meine Gäste}
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\epigraph{%
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„Daraus erkannte ich, daß ich eine
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Substanz war, deren ganzes Wesen oder deren ganze Natur nur darin bestand, zu
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denken [\dots].“
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}{}
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Descartes definiert den Menschen als \textit{res
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cogitans},\footcite[Vgl.][14--16]{principia} die Wladimir Solowjow
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seinerseits als „cartesianisch[en]
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Bastard“\footcite[115]{solowjow8} bezeichnet, weil jener dem
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Subjekt das zuschreibe, was ihm nicht mit Sicherheit gehöre. Kein Mensch hat
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sich jemals mit seinen Gedanken identifiziert, was schon aus dem Sprachgebrauch
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zu sehen ist: eine Idee \textit{haben}, \textit{to have} an idea (englisch),
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\textit{avoir} une idée (französisch), \textit{иметь} идею (russisch) --- und
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ähnlichen Ausdrücken, wie mir ist \textit{etwas eingefallen}, mir ist \textit{ein
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Gedanke gekommen}.
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Andererseits haben viele Menschen ein Gewissen. Wie oft bereut ein
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Erwachsener, dass er seinen Eltern Unrecht getan hat, indem er ihnen falsche
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Motive unterstellte. Ich bereue also Gedanken, die ich hatte, als ob sie mir
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fremd gewesen wären. Auf dasselbe läuft die christliche Patrologie hinaus:
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„denn es fordert von dir der Herr, daß du über dich selbst zürnest und gegen
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deinen Sinn kämpfest, nicht übereinstimmest und liebäugelst mit den Gedanken
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\textit{der Bosheit}.“\footcite[17]{makarius}[Eigene
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Hervorhebung] Folglich kann man sehr wohl glauben, dass, was nach Descartes
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den Menschen ausmacht, das Denken, nicht das Subjekt selbst ist, sondern,
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zumindest teilweise, von außen kommt (von Gott oder dem Teufel zum Exempel).
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\subsection{Die Traumwelt oder die Welt des Traumes}
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\epigraph{%
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Die Nacht, die wir in tiefem Schlummer sehen,\\
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||||
Ein Engel schuf sie hier aus diesem Stein,\\
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Und weil sie schläft, muss sie lebendig sein,\\
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Geh, wecke sie, sie wird dir Rede stehen.}{\textbf{Giovanni Strozzi auf die „la Notte“ von Michelangelo}}
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Descartes behauptet, dass die Gedankenwelt eines Traumes niemals so evident
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und vollständig wie diese der Realität
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sei.\footcite[Vgl.][69 f]{discours} Wie kann man zu diesem Schluss
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kommen? Man vergleicht das Realitätsbewusstsein mit demjenigen eines Traumes,
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was allerdings gar nicht in die umgekehrte Richtung geht: Im Traum gelten andere
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Gesetze, die \textit{in diesem Moment} unvergleichbare Evidenz und
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Vollständigkeit haben. Wenn ich also eine zweite Realität annehme und ich nur
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das Produkt eines Traumes eines Marsianers bin, dann sind die Gedankengänge
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meiner Wirklichkeit genauso lächerlich und absurd für die zweite Realität.
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Die zweite Bedingung für die Vergleichbarkeit zweier Welten (Schlaf- und
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Wachzustandes) ist die Zeit, da man momentanes Bewusstseinsgut mit einem in der
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Vergangenheit liegenden Traum vergleicht. „Aber was ist eigentlich diese Summe
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des Vergangenen? Liegt sie in meiner Hosentasche oder befindet sie sich auf
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meinem Konto in der Bank? Sie existiert doch nur in dieser Minute, bloß als eine
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Erinnerung, d.h.\ ein Bewusstseinszustand, ungetrennt davon, was ich nun
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empfinde, und es ist selbstverständlich, dass im Fall einer Illusion des
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Bewusstseins, sie auch eine Illusion des Gedächtnisses beinhaltet:
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[\dots]“\footcite[121]{solowjow8} Warum, wenn unsere Sinnesorgane
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uns keine objektive Darstellung des Raumes liefern, soll ich annehmen, dass die
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Zeit nicht auch so ein Betrug ist.
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Man kann seine Vergangenheit ganz leicht und schnell rekonstruiren, auch wenn
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diese Rekonstruktion nicht im Geringsten der Wahrheit entspricht, ohne dabei
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die Absicht zu lügen zu haben. Juristen sind so genannte \textit{Knallzeugen}
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bekannt. „Der Knallzeuge funktioniert so: Es hat sich ein Autounfall ereignet,
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zwei Fahrzeuge sind auf einer Kreuzung ineinander gerast; nun gilt es
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herauszufinden, wer die Schuld trägt. Glücklicherweise existiert ein Zeuge, der
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vor Gericht den Unfallhergang in allen Einzelheiten beschreiben kann\@. [\dots]
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[D]er erfahrene Richter hat das Kinn in die Hand gestützt, hört dem Zeugen
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aufmerksam zu und stellt schließlich die Frage, die man ihm im Referendariat
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beigebracht hat: ‚Und wie sind Sie auf das Unfallgeschehen aufmerksam geworden?‘
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Der Zeuge antwortet: ‚Als es so schrecklich knallte, habe ich mich
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umgedreht.‘“\footcite[17]{psyche} Der Zeuge erzählte, was er
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gar nicht gesehen hatte, wobei er selbst von seiner Geschichte so überzeugt war,
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dass er die Widersprüchlichkeit seiner Aussagen gar nicht bemerkte. Umso mehr
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kann ich daran glauben, dass ich ein seine Seminararbeit schreibender
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Philosophiestudent bin, der sich ganz deutlich an sein Abitur erinnern kann,
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auch wenn ein Marsianer von mir erst seit zwei Minuten
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träumt.\footcite[Vgl.][121]{solowjow8}
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\subsection{Auf den Kredit Gottes\footcite[Vgl.][13]{schopenhauer}}
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\epigraph{%
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„Denn erstens ist sogar das, was ich soeben als Regel angenommen habe --- nämlich
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daß alle die Dinge, die wir sehr klar und sehr deutlich verstehen, wahr sind ---,
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nur sicher, weil es Gott gibt oder er existiert und er ein vollkommenes Sein ist
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und alles, was es in uns gibt, von ihm herkommt.“
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}{}
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Den nächsten Schritt, den Descartes tut, um die wirkliche Existenz von
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\textit{res cogitans} und \textit{res
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extensa}\footcite[Vgl.][14--16]{principia} zu rechtfertigen, ist
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der Gottesbeweis, wobei bereits Schopenhauer bemerkte, dass dieser Vorgang
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selbst „freilich wunderlich“ ist: „[\dots] es ist der umgekehrte kosmologische
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[von der Existenz der Welt auf einen Urheber schließende]
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Beweis.“\footcite[13]{schopenhauer} Der Autor des Discours'
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schließt vom Vorhandensein des Begriffes der Vollkommenheit bei dem selbst
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unvolkommenen Menschen auf die Existenz eines vollkommenen Wesens. Diese
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Vollkommenheit muss bei Descartes das Gute bedeuten, weil er aus ihr den Schluss
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zieht, dass die Außenwelt wirklich ist, weil dieses Wesen uns anscheinend nicht
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betrügen darf. Es stellt sich allerdings die Frage, was „gut“ bedeutet. Der
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Begriff des Guten ist in uns gelegt, aber er hat keine übermenschliche Bedeutung.
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Es könnte eine Welt geben, wo der Mord als gut betrachtet wird, aus dem Grund,
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dass das oberste Wesen dies als etwas Gutes definiert und in uns legt. Man kann
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also von unserem Begriff der Vollkommenheit beziehungsweise des Guten nicht auf
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die Begrifflichkeit des Schöpfers schließen, der selbst diese Begriffe
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definierte und definieren kann. Unser Schöpfer könnte ein Dämon sein, der um uns
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herum eine Illusion erschuf und uns glauben ließ, dass er ein vollkommen gutes
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Wesen sei (also von meiner Sicht dessen, was gut ist).
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Außerdem widerspricht sich Descartes, wenn er behauptet, dass man von der
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Vorstellbarkeit der Vollkommenheit auf einen volkommenen Gott schließen
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kann\footcite[Vgl.][59--63]{discours} und an einer anderen Stelle
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schreibt, dass man von der Vorstellbarkeit einer Chimäre nicht auf ihre Existenz
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schließen darf\footcite[Vgl.][69]{discours} (zwar ist
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offensichtlich, dass er im letzten Fall eine bildliche Anschauung meint, aber
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zumindest kann ich mir eine Chimäre anhand meines Anschauungsvermögens leichter
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als Gott vorstellen, von dem ich nichts Sicheres sagen kann).
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Einen anderen treffenden Einwand bringt Schopenhauer: „Hiebei läßt er
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überdies sich nun eigentlich noch einen bedeutenden \textit{circulus vitiosus}
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[Zirkelschluß] zu Schulden kommen. Er beweist nämlich die objektive Realität der
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Gegenstände aller unserer anschaulichen Vorstellungen aus dem Daseyn Gottes, als
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ihres Urhebers, dessen Wahrhaftigkeit nicht zuläßt, daß er uns täusche: das
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Daseyn Gottes selbst aber beweist er aus der uns angeborenen Vorstellung, die
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wir von ihm, als dem allervollkommensten Wesen angeblich
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hätten.“\footcite[91]{schopenhauer} --- und macht einen
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angemessenen Schluss, indem er einen von Descartes' Landesleute zitiert: „Il
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commence par douter de tout, et finit par tout croire [Er fängt damit an, daß er
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alles bezweifelt, und hört damit auf, daß er alles
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glaubt] [\dots].“\footcite[91]{schopenhauer}
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\subsection{Das Ich und seine Subjekte}
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Man könne an seinem eigenen Dasein nicht zweifeln, behauptet der Autor, was
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allein der Tatsache widrig ist, dass man daran tatsächlich zweifelt. Was man
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nicht behaupten kann, ist, dass man an etwas nicht zweifeln kann, woran man
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schon Jahrtausende lang und bis in unsere Tage erfolgreich zweifelt und was
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daher verständlicherweise nicht so einfach zu leugnen
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ist.\footcite[Vgl.][109]{solowjow8} Andererseits muss man
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Descartes Recht geben, dass es etwas gibt, was ich nicht bezweifeln kann, weil,
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wenn ich sage: „Ich bezweifle etwas“, identifiziere ich mich doch mit einem
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\textit{Ich}. Ganz unabhängig davon, ob ich jetzt träume oder wach bin, ist mir
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etwas bewusst, was meinerseits als Ich bezeichnet wird. Dieses Ich empfindet
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sich als ein Subjekt, eine Form, deren Inhalt zweifelhaft ist.
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Folglich muss die cartesianische denkende Substanz in zwei Teile
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ausdifferenziert werden, wobei ich auf Solowjows Termini zurückgreifen möchte
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und den einen Teil als reines (phänomenologisches) Subjekt und den anderen als
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psychisches (empirisches) Subjekt bezeichnen. Jenes ist sicher und
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unerschütterlich, da es uns auf dem unmittelbarsten Wege gegeben ist, aber leer,
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dieses erfüllt und bunt, weil es die ganze Persönlichkeit enthält, dennoch
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wackelig und grundlos.\footcite[Vgl.][123]{solowjow8}
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\subsection{Ego cogito ergo sum sed quis ego sum?}
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\epigraph{„Cartesius gilt mit Recht für den Vater der neuern Philosophie [\dots].“}
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{\textbf{Arthur Schopenhauer\footcite[13]{schopenhauer}}}
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Das große Verdienst Descartes' ist, dass er die spätere Philosophie auf den
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Weg hinwies, auf dem man nicht von eingebildeten Pseudo-Wahrheiten lebt, sondern
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konstruktiv zweifelt, um einen Fortschritt der philosophischen Forschung zu
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ermöglichen, ohne dabei in der Sackgasse des Skeptizismus zu enden. Einmal auf
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diesen Weg getreten wollte er ihn unglücklicherweise selber nicht zu Ende gehen.
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||||
Allein daran, dass seine Schriften immer noch Aufregung, Nachdenken und
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Diskussionen in der philosophierenden Welt hervorrufen, kann man ersehen, wie
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unentbehrlich seine Erbe an das Moderne ist.
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Nun ist das reine Ich menschlicher Erkenntnis unzugänglich. Man ist nur fähig
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reflexiv über das empirische Ich --- über seinen Charakter und die Summe psychischer
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Zustände --- die einen zum Individuum machen, nachzudenken. Das reine Ich macht in
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||||
dieser Hinsicht dieselben Schwierigkeiten, wie der Versuch, die eigenen Ohren
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ohne einen Spiegel zu betrachten. Bin ich eine willensfreie Persönlichkeit?,
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eine Puppe im Theater eines mir fremden Wesens?, ein Splitter, der eigentlich
|
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mit einer Gottheit zusammen, die zugleich die Welt ist, und die aus nur ihr
|
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bekannten Gründen plötzlich ihre Harmonie und ihr Gleichgewicht verlor, ein
|
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Ganzes bildet?, ein armer und einsamer Knecht seines Schicksals, der sich
|
||||
einbildet, dass er etwas sieht, hört, mit jemandem spricht?, das zufällige
|
||||
Produkt der blinden Natur, die kein einziges Gramm Geist
|
||||
enthält?
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layout: post
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date: 2013-06-02 15:27:00
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||||
tags: Aufsatz
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title: Ein Sklave der Freiheit
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teaser: |
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<p>
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||||
Georg Wilhelm Friedrich Hegel versteht dagegen das Recht als das Dasein der
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||||
Idee der Freiheit, die ihrerseits existenziell für das menschliche Wesen ist.
|
||||
Diese Idee wird nicht wie die ewige Pest von Eltern zu ihren Kindern
|
||||
weitergegeben, sondern vielmehr werden immer mehr ihrer Momente vom Geist
|
||||
aufgenommen und verwirklicht, sie ist die Einheit von Begriff und
|
||||
Wirklichkeit, die der Begriff sich selbst gibt. Die Freiheit, die die
|
||||
Substanz des Rechts darstellt, wird von Hegel nicht als etwas Schlechtes,
|
||||
Gesetzloses, Anarchisches verstanden, sondern als etwas moralisch
|
||||
Positives, sodass man auf höheren Entfaltungsstufen des Geistes von einem
|
||||
vollkommeneren Recht reden kann.
|
||||
</p>
|
||||
---
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||||
\subsection{Begriff des Rechts in Hegels Rechtsphilosophie}
|
||||
|
||||
\epigraph{%
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Es erben sich Gesetz’ und Rechte\\
|
||||
Wie eine ew’ge Krankheit fort,\\
|
||||
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte\\
|
||||
Und rücken sacht von Ort zu Ort.\\
|
||||
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;\\
|
||||
Weh dir, dass du ein Enkel bist!\\
|
||||
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,\\
|
||||
Von dem ist leider! nie die Frage.}{\textbf{Johann Wolfgang von Goethe\footcite[55]{faust}}}
|
||||
|
||||
Johann Wolfgang von Goethe legt diese Worte dem Teufel in den Mund, der einen
|
||||
Schüler belehrt. Man spricht davon, dass klassische Dichter wie Goethe immer
|
||||
aktuell bleiben oder sogar mit der Zeit an Aktualität gewinnen. Ist es so?
|
||||
Goethes Zeitgenosse, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, versteht dagegen das Recht
|
||||
als das Dasein der Idee der Freiheit, die ihrerseits existenziell für das
|
||||
menschliche Wesen ist. Diese Idee wird nicht wie die ewige Pest von Eltern zu
|
||||
ihren Kindern weitergegeben, sondern vielmehr werden immer mehr ihrer Momente
|
||||
vom Geist aufgenommen und verwirklicht, sie ist die Einheit von Begriff und
|
||||
Wirklichkeit, die der Begriff sich selbst
|
||||
gibt\footcite[Vgl.][234 f]{schnaedelbach}. So befindet sich auch das Recht
|
||||
im permanenten Progress, denn „[j]ede Stufe der Enwticklung der Idee der
|
||||
Freiheit hat ihr eigentümliches
|
||||
Recht [\dots]“\footcite[43]{grund}. Die Freiheit, die die
|
||||
Substanz des Rechts darstellt, wird von Hegel nicht als etwas Schlechtes,
|
||||
Gesetzloses, Anarchisches verstanden, sondern als etwas moralisch
|
||||
Positives\footcite[Vgl.][40 f]{thought}, sodass man auf höheren
|
||||
Entfaltungsstufen des Geistes von einem vollkommeneren Recht reden kann.
|
||||
|
||||
Der Mensch geht einen dornigen Weg in der Geschichte, reinigt sein
|
||||
Menschenbild. Es ist kaum zu bestreiten, dass ein Bürger eines modernen
|
||||
Rechtsstaates, rechtstheoretisch gesehen, freier als zuvor ist; aber was ist
|
||||
jenes Recht, das uns diese Freiheit gibt: Ist es ein Segen, wie es Hegel
|
||||
beschreibt, oder doch eine beständig anschwellende Bürde, wie es der als Faust
|
||||
verkleidete Mephisto behaupten würde? Im Folgenden wird mich die Frage
|
||||
beschäftigen, inwiefern das Rechtssystem eines Staates das Wohlergehen seiner
|
||||
Bürger widerspiegelt; ob ein höheres Recht sich im immer menschlicher werdenden
|
||||
Menschen spürbar macht.
|
||||
|
||||
\subsection{Wie ist die Entwicklung in der Geschichte möglich?}
|
||||
|
||||
Der erste Punkt, der in diesem Zusammenhang von Belang ist, ist, wie Hegel
|
||||
denkt, die Verbindung zwischen dem staatlichen Recht und den Bürgern dieses
|
||||
Staates herstellen zu können. Es ist bei Hegel so, dass das Recht zu einem
|
||||
bestimmten Zeitpunkt die Entwicklungsstufe des Volksgeistes darstellt. Es sei
|
||||
deswegen gar nicht möglich, dass irgendein Mensch seine Zeit überholt. Als
|
||||
Beispiel erwähnt Hegel den platonischen Staat und behauptet, dass er kein
|
||||
Vorbild in alle Ewigkeit, sondern nur „die Natur der griechischen
|
||||
Sittlichkeit“\footcite[Vgl.][13]{grund} jener Zeit sei. Ein noch
|
||||
besseres Beispiel wäre, dass Hegel zwar den Anspruch erhebt, nicht über einen
|
||||
konkreten Staat bzw.\ ein politisches System zu
|
||||
schreiben,\footcite[Vgl.][15]{grund} seinem Vorhaben selbst aber
|
||||
nicht immer treu bleibt. So vertritt er die konstitutionelle Monarchie als die
|
||||
beste der bekannten Staatsformen, womit man heutzutage nicht unbedingt zufrieden
|
||||
wäre,\footcite[Vgl.][249 ff]{schnaedelbach} d.h.\ er hielt für etwas
|
||||
allgemein Vernünftiges und einem Rechtsstaat Unentbehrliches, was bloß der
|
||||
Tradition seiner Zeit angemessen war.
|
||||
|
||||
Vielmehr schreibt Hegel, dass die Philsophie mit ihren Belehrungen immer zu
|
||||
spät sei, „[a]ls der Gedanke der Welt erscheint sie erst in der Zeit, nachdem
|
||||
die Wirklichkeit ihren Bildungsprozeß
|
||||
vollendet [\dots] hat.“\footcite[Vgl.][17]{grund} Es scheint Hegels
|
||||
Antwort auf die Frage zu sein, wie überhaupt geschichtlicher Fortschritt möglich
|
||||
ist, wenn der Mensch seiner eigenen Zeit nicht voraus sein kann, dass der Geist,
|
||||
das freie Bewusstsein und damit das Recht sich unabhängig vom menschlichen
|
||||
Wollen entwickeln. In der Tat wird das Menschenbild in Europa immer
|
||||
fortschrittlicher: es gibt keine offizielle Sklaverei, die Hautfarbe entscheidet
|
||||
nicht über die menschliche Würde und die Eltern haben keine Macht über ihre
|
||||
Kinder wie über einen Gegenstand. In Deutschland werden diese Ansichten auch
|
||||
juristisch im Grundgesetz verankert.
|
||||
|
||||
Ferner sieht Hegel das Ziel der Philosophie in der Erforschung des
|
||||
Wirklichen, das auch vernünftig ist.\footcite[Vgl.][15 f]{grund}
|
||||
Somit ist alles Klagen über den wirklichen Staat unvernünftig. Es gibt jedoch
|
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auch Rückschritte. Was ist mit den Zeiten, die von den meisten Menschen im
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Nachhinein als höchst unvernünftig und sogar unmenschlich betrachtet werden, wie
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z.B. die des deutschen Nationalsozialismus: musste man dem Staat gehorchen, weil
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er wirklich und vernünftig gewesen war? „[\dots] Hegel distinguished between
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phenomena that embody a rational structure and those that do
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not“\footcite[234]{cambridge}, heißt es bei Kenneth Westphal mit
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dem Verweis auf das Vorwort der Philosophie des Rechts. Wann ist dennoch diese
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Grenze des Vernünftigen überschritten? Hier stolpern wir über das erste Problem,
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was die Entfaltung des Geistes angeht: Es gibt kein wirkliches Kriterium, um die
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jeweilige politische Situation bewerten zu können. Hegel sucht nach dem
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Vernünftigen trotzdem im Transzendentalen und setzt damit anstelle der Willkür
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seiner unvernünftigen Mitbürger, die ständig über ihren Staat klagen, seine
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eigene Willkür.\footnote{Zu demselben Gedanken führt Hegels Plädieren für die
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konstitutionelle Monarchie, die ich oben erwähnte.} Da man jedoch, wenn
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man die Gegenwart mit der Vergangenheit vergleicht, den Fortschritt feststellen
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kann, muss die blinde Menschheit von der Geschichte an der Hand geführt werden,
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sie stößt gegen Gegenstände im dunklen Raum und zieht sich blutige Wunden im
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Gesicht zu, nähert sich aber immer mehr dem Funken der Freiheit. Doch frage ich
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mich: Was ist diese Menschheit in ihren Einzelteilen, wirken die Organen im
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Ganzen des Organismus mit?
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\subsection{Zusammenhang des Menschenbildes und seiner Verwirklichung}
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Die Behandlung dieser Frage beginne ich mit einer kurzen Geschichte. Ich
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wurde einmal in Hamburg von einer Gruppe junger Leute angesprochen. Sie seien
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||||
von einem Unternehmen angestellt, dessen Auftrag es sei, Jugendlichen aus
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schwierigen Verhältnissen zu helfen, ins Berufsleben einzusteigen, und zwar
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sollen die Letzteren Zeitschriften austragen. Meine Aufgabe sei es, dabei zu
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helfen, sie zu kontrollieren. Dafür sollte ich eine Zeitschrift beantragen; ich
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werde regelmäßig ein Formular zugeschickt bekommen, in dem ich einzutragen
|
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hätte, ob ich alle Zeitschriften in dieser Periode erhalten hatte. Meine
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Belohnung sei, dass ich die Zeitschrift ein halbes Jahr lang gratis bekäme. Ich
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unterzeichnete den Vertrag. Mehrere Wochen danach bekam ich mein erstes Magazin
|
||||
zusammen mit einem zweijährigen Abonnement, das ich selbstverständlich bezahlen
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musste. Die Angelegenheit entpuppte sich also als eine sogenannte „Abofalle“. Da
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ist auch klar, warum der Vertrag erst zwei Wochen später zugesandt wurde (damit
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ich Angst habe, dass ich nach vierzehn Tagen nicht mehr kündigen kann, was in
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der AGB auf der Rückseite des Vertrages klein geschrieben steht). Seitdem
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erhielt ich eine Sammlung von Briefen, die mir meine letzte Chance ankündigen,
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meine Schulden zu begleichen, bevor ich vor Gericht gezogen werde. Dabei
|
||||
handelte es sich nicht um einen harmlosen Einzelfall. Auf der Suche nach Hilfe
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bin ich weiteren Opfern begegnet. Wir waren mit einer Organisation konfrontiert,
|
||||
die schon seit Jahren auf verschiedene Weisen, aber immer mit gut ausgesuchten
|
||||
und bis ins Detail durchdachten Methoden die Menschen betrügt, den naiven
|
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Bürgern das letzte Vertrauen entzieht und Rentner ohne ihre Ersparnisse im Stich
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||||
lässt.\footnote{Viel extremer sind die Rechtsstreitigkeiten der letzten Jahre in
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||||
der IT-Industrie zwischen großen Unternehmen, wie 2012 zwischen Apple und Samsung
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oder Oracle und Google. Ohne weiter auf die Details eingehen zu wollen, muss man
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doch feststellen, dass zwar ein an sich ganz gerechtes Anliegen vertreten wurde,
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||||
doch bei näherer Betrachtung der Gründe ähnelten die Prozesse doch einem Abzock
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des jeweils angeklagten Unternehmens.} Hier kommt die
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||||
Schattenseite des modernen Rechts zum Vorschein: Die Freiheit bietet auch
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Freiheit für Verbrecher. Wozu muss jemand altmodisch in einer dunklen Gasse auf
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seine Opfer stechen und sie berauben, wenn es anhand des vorhandenen
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||||
Rechtssystems viel eleganter und sicherer gelingt? Und es geht gar nicht um das
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Gesetz, dass in dicken Büchern niedergeschrieben ist und das bloß ausgenutzt
|
||||
wird, aber an sich ganz angemessen ist, natürlich hätten z.B. die Betrüger in
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||||
meinem Fall keine Chance vor Gericht gehabt, wenn ich zum Anwalt gegangen wäre;
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||||
es geht um Menschen aus Fleisch und Blut mit ihren Schwächen, Menschen, von
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||||
denen nicht jeder Spaß daran hat, nach der Arbeit seine Rechte zu studieren,
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||||
Menschen, die um die Freiheit des Rechts fürchten.
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||||
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||||
Noch ein paar Worte möchte ich zur Freiheit sagen, die Hegel nach dem Recht
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||||
innewohnt. Die Würde des Menschen als eines freien Wesens wird immer mehr
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||||
ausgeprägt und legitimiert; in einer anderen Hinsicht wird dem Menschen seine
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||||
persönliche Freiheit entzogen. Es finden sich immer Menschen, die einen solchen
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Fall, wie den, den ich geschildert habe, ungefähr folgendermaßen kommentieren
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||||
würden: „Du solltest nicht so dumm sein, du bist selber schuld.“ Welcher Unfug!
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||||
Das Vertrauen in andere Menschen wird dabei mit Naivität und Dummheit
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||||
gleichgesetzt. Der Mensch wird immer verschlossener, kann nicht mehr frei
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||||
handeln: die Anderen umgeben ihn. Wem vertrauen wir? Unseren Nachbarn? Einem neu
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||||
geöffneten Online-Shop? Dem Priester? Der Gnade der Politiker? Bankberatern?
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||||
Deswegen ist vielleicht der lateinische Satz „homo homini lupus“ zu einem
|
||||
international bekannten Sprichwort geworden. Hegel sieht Freiheit einseitig,
|
||||
deswegen ist es so schwer, mit Hegel zu sagen, dass die Sittlichkeit „die Idee
|
||||
der Freiheit, als das lebendige Gute“\footcite[133]{grund}
|
||||
sei.\footcite[Vgl.][229 ff]{cambridge0} Wobei ich gar nicht sagen
|
||||
wollte, dass alles jede Minute schlechter wird. Es wird bloß nicht besser. Mein
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||||
Ziel war dieses Paradoxon aufzuzeigen, dass unser Menschenbild immer sauberer
|
||||
wird, aber andererseits nur im Grundgesetz, nicht in der Seele unseres Nächsten.
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||||
Jede Stufe der Entwicklung der Idee der Freiheit hat ihren eigentümlichen
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Betrug, ihre moralische Nicht-Freiheit.
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\subsection{Zu politischen Systemen}
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Karl Popper schreibt auch, dass die politische Freiheit grausam, zu einer
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Katastrophe werden kann. Seine Behauptung bekräftigt er unter Anderem damit,
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||||
dass der Freiheitskampf Terrorismus auslösen kann.\footcite[Vgl.][171 f]{popper}
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||||
„Nein, wir wählen die politische Freiheit nicht, weil sie uns das oder jenes
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||||
verspricht. Wir wählen sie, weil sie die einzig menschenwürdige Form des
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||||
menschlichen Zusammenlebens möglich macht; [\dots]“\footcite[172]{popper}
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||||
Demokratie definiert er als eine Staatsform, in der es möglich sei, die
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||||
Regierung ohne Blutvergießen „loszuwerden“. Im Gegensatz dazu steht
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||||
Tyrannis.\footcite[Vgl.][168]{popper} Einfachheitshalber werde ich im
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||||
Folgenden seine Terminologie verwenden.
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Man könnte sich fragen, ob die politische Freiheit tatsächlich so einen hohen
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Wert in den Köpfen der Menschen hat, wie ihn ihr Popper und Hegel beimessen, ob
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es einen Zusammenhang zwischen dem Menschenbild, Wertesystem und der politischen
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||||
Ordnung, politischen Freiheit gibt. Dies kann man es an einem Beispiel aus der
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||||
modernen Gesellschaft verdeutlichen. Deutschland wäre eine sehr unpassende
|
||||
Variante, weil man hier wegen des verlorenen Krieges ein totalitäres Regime noch
|
||||
ein paar Jahrzehnte verabscheuen wird, anders ist es z.B. in Russland, wo ich
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||||
aufgewachsen bin und meine ersten Lebensansichten von der Kultur aufgedrängt
|
||||
bekommen habe, dem Land der „Helden und Sieger“\footnote{Es ist nicht mein
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favorisierter Ausdruck, sondern eher die Volkseinstellung, mit der man oft
|
||||
konfrontiert wird.}. Popper übertreibt
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übermäßig den Wert der Freiheit, weil das Blut in Freiheitskämpfen in seltesten
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||||
Fällen für die Freiheit vergoßen wurde. Ein Freiheitskampf innerhalb eines
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||||
Landes wird gerne angefangen, wenn es den Menschen an Brot fehlt. Diese
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||||
Anmerkung macht auch deutlich, worum es einem in der Geschichte geht. In
|
||||
Russland zeigt sich daher wegen eines schlecht organisierten Sozialsystems und
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||||
starker Korruption, dass man sich von der Freiheit nicht sättigen und nicht
|
||||
seinen Durst mit ihr stillen kann. Einerseits wollen einige Angehörige der
|
||||
orthodoxen Kirche, die gewissen Einfluss hat, einen Monarchen, einen orthodoxen
|
||||
Zaren, andererseits vergöttern viele die Sowjetjunion und selbst solche Tyrannen
|
||||
wie Stalin. Wie gesagt, Stalin ist kein Tyrann im Sinne Hitlers, nur dank ihm
|
||||
sei der Sieg im Krieg möglich gewesen und es wird ernsthaft bezweifelt, dass das
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||||
moderne demokratische Russland einen derartigen Freiheitskampf gegen fremde
|
||||
Eroberer aushielte. Jährlich treten die Veteranen am 9.
|
||||
Mai\footnote{Siegestag im Zweiten Weltkrieg, gesetzlicher Feiertag.} auf und berichten, wieviel
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||||
besser es in der Sowjetunion war, weil es Ordnung gegeben habe. Es offenbart
|
||||
sich eine ganz andere Wahrnehmung des Totalitarismus, die selbst dadurch nicht
|
||||
verhindert wird, dass es nicht ganz klar ist, ob mehr Menschen im Krieg
|
||||
gestorben sind oder von der eigenen Regierung hingerichtet wurden.
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||||
|
||||
Aus dem oben angeführten Beispiel kann man ablesen, dass die Menschheit die
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||||
Freiheit nicht um der Freiheit willen anstrebt, dass sie keinen unbedingten Wert
|
||||
hat. Außerdem war Hegel anscheinend der Ansicht, dass ein politisches System
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||||
besser als das andere sein kann (sonst wären seine Ausführungen bezüglich der
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||||
konstitutionellen Monarchie sinnlos). Aber bei uns herrscht nun Demokratie und
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||||
sie ist keine neue Regierungsform, also kann man nicht sagen, dass Hegel von ihr
|
||||
nichts wusste und sie deswegen nicht bevorzugte. Die westliche Demokratie ist
|
||||
lediglich besser als die antike, sie stellt aber nichts Neues dar. Eine Tyrannis
|
||||
ist auch nicht jeder Tyrannis gleich (hier ist das Wort Monarchie angemessener,
|
||||
weil „Tyrannis“ in der modernen Sprache einen negativen Nachklang hat). Jetzt
|
||||
kann man darüber nachdenken, ob die Geschichte nicht etwas kreisförmig ist. Die
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||||
Regierungsformen ersetzen einander, sie tanzen in einem ewigen Tanz um die
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Menschen herum, kommen in einer besseren Gestalt und gehen wieder.
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||||
\subsection{Das Menschenbild, das Recht und die Person}
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Hegels großes Verdienst ist, dass er in seiner Rechtsphilosophie diese
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positive Entwicklung des Begriffs des Menschen, des Menschenbildes aufgespürt
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||||
und aufgedeckt hat. Unsere Vorstellung vom Menschen ist vollkommener, die
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||||
Menschenbilder früherer Zeiten verletzten in verschiedenen Aspekten eindeutig
|
||||
die Menschenwürde, waren teilweise unverständlich und \textbf{nicht befreit}.
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||||
Dann ist es von Hegel aufgezeigt worden, wie ein Menschenbild im Recht
|
||||
verankert wird und wie sie einander offenbaren. Allerdings hat Hegel daraus
|
||||
Schlüsse gezogen, die nicht mehr nachweisbar sind. So unterschied er zwischen
|
||||
der Sittlichkeit und der Moralität\footcite[Vgl.][215 f]{thought},
|
||||
wobei sein Plan zu beweisen, dass der Staat an sich sittlich sei, fehlgeschlagen
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||||
ist. Er konnte nicht seinen Weg bis zum Ende gehen, seinen Überzeugungen bis zum
|
||||
Letzten folgen und behauptete von Staaten, die seiner Vorstellung nach doch
|
||||
unsittlich waren, dass sie unvernünftig seien, wobei das Maß dieser Vernünftigkeit
|
||||
Hegels eigener Willkür entsprang und keine objektive Einheit darstellt. Man kann die
|
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Sittlichkeit von der Moralität nicht eindeutig trennen. Zum Anderen kann man
|
||||
weder vom Recht auf die Sittlichkeit bzw.\ Moralität schließen, noch von der
|
||||
politischen Freiheit auf die praktische, der menschlichen Würde entsprechende
|
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Freiheit. Insofern wird ein menschliches Staatsideal immer mehr im modernen
|
||||
Staat verkörpert, aber es hat sehr bestreitbaren Einfluss auf die einzelne
|
||||
Persönlichkeiten, Bürger dieses Staates.
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layout: post
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date: 2013-07-05 04:15:00
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tags: Gedicht
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title: Der Himmel blutet spät am Abend…
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teaser: |
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<p>
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Der Himmel blutet spät am Abend,<br>
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das Heer im Schweigen kehrt zurück.<br>
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Der Feldherr ruft sich selber tadelnd:<br>
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„Es fehlte noch ein kleines Stück!“
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</p>
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<p>
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Der Gegner kann sich auch nicht freuen:<br>
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Nur zu beweinen ist der Sieg,<br>
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zu viele sind nun zu bereuen,<br>
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zu vieles einem stiehlt ein Krieg.
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</p>
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<p>
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Ich habe selbst die Ruh gebrochen,<br>
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der erste Schlag ist immer mein.<br>
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Ich wollte nicht, dass sie gehorchen,<br>
|
||||
mein Herz gleichgültig war wie’n Stein.
|
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</p>
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<p>
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Ich wollte später mich schon beugen,<br>
|
||||
mein Volk hätt’ dann ’nen weisen Herrn,<br>
|
||||
der ist den meisten überlegen,<br>
|
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den mag ich selber äußerst gern.
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</p>
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||||
\textit{Katja M. S. B.}
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||||
Der Himmel blutet spät am Abend,\\
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||||
das Heer im Schweigen kehrt zurück.\\
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||||
Der Feldherr ruft sich selber tadelnd:\\
|
||||
„Es fehlte noch ein kleines Stück!“
|
||||
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||||
Der Gegner kann sich auch nicht freuen:\\
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||||
Nur zu beweinen ist der Sieg,\\
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||||
zu viele sind nun zu bereuen,\\
|
||||
zu vieles einem stiehlt ein Krieg.
|
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||||
Ich habe selbst die Ruh gebrochen,\\
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||||
der erste Schlag ist immer mein.\\
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||||
Ich wollte nicht, dass sie gehorchen,\\
|
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mein Herz gleichgültig war wie’n Stein.
|
||||
|
||||
Ich wollte später mich schon beugen,\\
|
||||
mein Volk hätt’ dann ’nen weisen Herrn,\\
|
||||
der ist den meisten überlegen,\\
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den mag ich selber äußerst gern.
|
9
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layout: post
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date: 2013-11-14 06:53:00
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||||
tags: Aufzeichnungen eines Pessimisten
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title: De fortuna
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\emph{Sapientia Sciurus:} Viel Glück zu deiner Prüfung!
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\emph{Ich:} Es ist kein Kartenspiel.
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layout: post
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||||
date: 2013-12-28 08:34:00
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tags: Gedicht
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title: Gute Nacht, mein lieber Schatz!
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teaser: |
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<p>
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Gute Nacht, mein lieber Schatz,<br>
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lass mein’ Stern dich nun bewachen,<br>
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deinen Schlaf erholsam machen.<br>
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Schlafe schön, mein gold’ner Schatz!
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</p>
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<p>
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Guten Morgen, lieber Schatz,<br>
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siehst du schon die Sohne gähnen?<br>
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Sie wird deinen Tag erwärmen,<br>
|
||||
gibt dir einen heißen Schmatz!
|
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</p>
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\textit{Katja M. S. B.}
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Gute Nacht, mein lieber Schatz,\\
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lass mein’ Stern dich nun bewachen,\\
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||||
deinen Schlaf erholsam machen.\\
|
||||
Schlafe schön, mein gold’ner Schatz!
|
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||||
Guten Morgen, lieber Schatz,\\
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||||
siehst du schon die Sohne gähnen?\\
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Sie wird deinen Tag erwärmen,\\
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||||
gibt dir einen heißen Schmatz!
|
@@ -0,0 +1,17 @@
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layout: post
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||||
date: 2013-12-19 14:38:00
|
||||
tags: Gedicht
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title: Liebste, hast du selber nicht gesagt?
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teaser: |
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<p>
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Liebste, hast du selber nicht gesagt,<br>
|
||||
wie wunderbar ist Menschenleben,<br>
|
||||
dass kein Gewitter, kein Erdbeben<br>
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es jemals übler, grauer macht?
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</p>
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Liebste, hast du selber nicht gesagt,\\
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||||
wie wunderbar ist Menschenleben,\\
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||||
dass kein Gewitter, kein Erdbeben\\
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||||
es jemals übler, grauer macht?
|
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||||
---
|
||||
layout: post
|
||||
date: 2013-12-01 14:27:00
|
||||
tags: Gedicht
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title: Weihnachtslied
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teaser: |
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<p>
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Wunder geschieht in der heiligen Nacht:<br>
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Oben im Himmel der Stern<br>
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leuchtet uns strahlend in göttlicher Pracht,<br>
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führt zu der Krippe des Herrn.
|
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</p>
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<p>
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Halleluja, Ehre dem ewig’n Sohn!<br>
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Halleluja, Erde ist Gottes Thron!
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</p>
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<p>
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Gott, der das Seiende machtvoll bewahrt,<br>
|
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Engel sind ihm unterworf’n,<br>
|
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hat seine Gnade dem Mensch offenbart,<br>
|
||||
gibt ihm das Glück und das Hoff’n.
|
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</p>
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<p>
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Unsere Speise das göttliche Wort,<br>
|
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geistlicher Durst wird gestillt;<br>
|
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Beten zu Christus an jeglichem Ort —<br>
|
||||
er ist barmherzig und mild.
|
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</p>
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<p>
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Freut euch ihr Menschen, es juble das Volk!<br>
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Alle, die holdselig kam’n,<br>
|
||||
singen dem Kinde das ewige Lob,<br>
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preisen für immer sein’ Nam’n!
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</p>
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Wunder geschieht in der heiligen Nacht:\\
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Oben im Himmel der Stern\\
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leuchtet uns strahlend in göttlicher Pracht,\\
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führt zu der Krippe des Herrn.
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Halleluja, Ehre dem ewig’n Sohn!\\
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Halleluja, Erde ist Gottes Thron!
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Gott, der das Seiende machtvoll bewahrt,\\
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Engel sind ihm unterworf’n,\\
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hat seine Gnade dem Mensch offenbart,\\
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gibt ihm das Glück und das Hoff’n.
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||||
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||||
Unsere Speise das göttliche Wort,\\
|
||||
geistlicher Durst wird gestillt;\\
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Beten zu Christus an jeglichem Ort —\\
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er ist barmherzig und mild.
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Freut euch ihr Menschen, es juble das Volk!\\
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||||
Alle, die holdselig kam’n,\\
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singen dem Kinde das ewige Lob,\\
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preisen für immer sein’ Nam’n!
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