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date: 2015-05-07 18:17:00
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tags: Aufsatz
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title: Zur Bedeutung der Kunst bei Friedrich Nietzsche. Teil 4. Abschließende Bemerkungen
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Der Welt, aus der die Wissenschaft die Geistigkeit vertrieben hat, die
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genauso wie ihr Gott „getötet“ und zu einem physischen Mechanismus gemacht
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wurde, schenkt Friedrich Nietzsche ein neues Leben, neue Dynamik, die
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Dynamik eines Kunstwerkes, das noch nicht vollendet ist und niemals
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vollendet sein wird.
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\epigraph{Eigentlich sollte ich einen Kreis von tiefen und zarten
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Menschen um mich haben, welche mich etwas vor mir selber schützten und mich auch zu
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erheitern wüßten: denn für einen, der solche Dinge denkt, wie ich sie denken muß,
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ist die Gefahr immer ganz in der Nähe, daß er sich selber zerstört.}
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{\textit{Herbst 1885 -- Frühjahr 1886}\\\textbf{Friedrich Nietzsche}\footcite[170]{nietzsche:fragmente}}
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Der Welt, aus der die Wissenschaft die Geistigkeit vertrieben hat, die genauso
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wie ihr Gott „getötet“ und zu einem physischen Mechanismus gemacht wurde, schenkt
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Friedrich Nietzsche ein neues Leben, neue Dynamik, die Dynamik eines Kunstwerkes,
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das noch nicht vollendet ist und niemals vollendet sein wird. Seine Theorie von der
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ästhetischen Rechtfertigung des Lebens hat er in die Praxis umgesetzt, er komponierte
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sein schriftliches Werk: „Sie hätte singen sollen, diese ‚neue Seele‘ --- und nicht
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reden!“,\footcite[15]{nietzsche:geburt} klagt er im „Versuch einer Selbstkritik“
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darüber, dass er nicht gewagt hat, in seinem Erstlingswerk „als Dichter“\footcite[15]{nietzsche:geburt}
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zu sprechen. Und Wiebrecht Ries bemerkt, dass in der „Zarathustra-Dichtung“ erfüllt
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ist, „daß die Rede Musik wird, und dies in gleicher Weise wie der Gedanke Seele wird.“\footcite[138]{ries:geburt}
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Nietzsches Leben wurde wie eine Tragödie aus dem Geiste der Musik, die ihn sein Leben
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lang inspirierte,\footcite[Vgl.][18]{ries:geburt} geboren.
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„Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ vernichtet Nietzsches Karriere, weil die Behauptungen
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wie, dass die Existenz nur eine „Theateraufführung“ im Bewusstsein eines mythischen
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Wesens, „provozierend gemeint [sind], aber sie […] einen unbeabsichtigten Zweifel
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an der Nüchternheit und Zuverlässigkeit des Autors als humanistischen Gelehrten“\footcite[187]{hayman:biographie}
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provozieren. „Die Wahrheit ist häßlich: wir haben die Kunst, damit wir nicht an der
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Wahrheit zu Grunde gehn.“,\footcite[279]{nietzsche:fragmente} heißt es 1888.
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Dennoch geht er an der dionysischen Wahrheit zu Grunde und erleidet einen Zusammenbruch.\footcite[Vgl.][439]{hayman:biographie}
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„Das Finale im Wahnsinn verlieh dem Werk rückwirkend eine dunkle Wahrheit: da war
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offenbar jemand ins Geheimnis des Seins so tief eingedrungen, daß er darüber den Verstand
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verloren hatte.“\footcite[331]{safranski:biographie} Nietzsches Schwester Elisabeth,
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die noch zu Lebenszeiten seines Bruders alle Rechte auf seine Werke bekommen hat,
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hat sich nach seinem Zusammenbruch um die Ausgabe seiner Schriften gekümmert\footcite[Vgl.][537 f]{hayman:biographie}
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und ein Nietzsche-Archiv eröffnet.\footcite[454]{hayman:biographie} Bereits
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1893 war die Nachfrage nach Nietzsches Büchern „sprunghaft angestiegen“.\footcite[454]{hayman:biographie}
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Also hat die dionysische Selbstzerstörung eines Philosophie-Künstlers etwas Neues hervorgebracht: sein Werk.
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