Herausforderungen der Technikphilosophie in TeX

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Natur beschert? Ist sie etwas Schlechtes, was den Menschen jeden Tag immer mehr von
ihr abhängig und hilfslos macht?</p>
---
<section>
Eines der wichtigsten Merkmale unserer Zeit ist die Technisierung vieler Bereiche unseres alltäglichen
Lebens. „Das technische Zeitalter“ kann man über unsere Tage sagen hören. Doch, was jene
Technisierung kennzeichnet, ist nicht so sehr die Technik selbst, sondern die rasche Entwicklung
derjenigen. Als solche ist die Technik nichts Neues, wenn auch die Technik des letzten Jahrhunderts
ganz anderer Art, als das, was man vorher kannte. Es gibt sie dennoch mehr als hundert Jahre, vielleicht
gab es sie schon immer. Vielleicht ist die Fähigkeit aus der Natur Erkenntnisse zu gewinnen und dann
anhand derer etwas zu erfinden, etwas was einen Menschen eigentlich ausmacht.
<p>Eines der wichtigsten Merkmale unserer Zeit ist die Technisierung vieler Bereiche unseres
alltäglichen Lebens. „Das technische Zeitalter“ kann man über unsere Tage sagen hören.
Doch, was jene Technisierung kennzeichnet, ist nicht so sehr die Technik selbst, sondern
die rasche Entwicklung derjenigen. Als solche ist die Technik nichts Neues, wenn auch
die Technik des letzten Jahrhunderts ganz anderer Art, als das, was man vorher kannte.
Es gibt sie dennoch mehr als hundert Jahre, vielleicht gab es sie schon immer. Vielleicht
ist die Fähigkeit aus der Natur Erkenntnisse zu gewinnen und dann anhand derer etwas
zu erfinden, etwas was einen Menschen eigentlich ausmacht.</p>
Wenn man über das technische Zeitalter spricht, ist diese Aussage nicht unbedingt wertneutral.
Der zügellose technische Fortschritt hatte zur Folge, dass er viel Aufmerksamkeit in der Gesellschaft
auf sich gelenkt hat, worüber man sich auch kaum wundern kann, weil wir heute in so vielerlei Hinsicht
auf die Technik angewiesen sind.
<p>Wenn man über das technische Zeitalter spricht, ist diese Aussage nicht unbedingt
wertneutral. Der zügellose technische Fortschritt hatte zur Folge, dass er viel
Aufmerksamkeit in der Gesellschaft auf sich gelenkt hat, worüber man sich auch kaum wundern
kann, weil wir heute in so vielerlei Hinsicht auf die Technik angewiesen sind.</p>
Desto interessanter wird es, über die Technik und Technisierung nachzudenken. Was ist sie nun?
Ist sie etwas Gutes, was uns weiterbringt und uns mehr Macht über die Natur beschert? Ist sie
etwas Schlechtes, was den Menschen jeden Tag immer mehr von ihr abhängig und hilfslos macht?
<p>Desto interessanter wird es, über die Technik und Technisierung nachzudenken. Was
ist sie nun? Ist sie etwas Gutes, was uns weiterbringt und uns mehr Macht über die
Natur beschert? Ist sie etwas Schlechtes, was den Menschen jeden Tag immer mehr von
ihr abhängig und hilfslos macht?</p>
<h3>Einleitung</h3>
<p>Ich habe vorher schon angedeutet, dass die Technik auch als etwas genuin Menschliches verstanden
Ich habe vorher schon angedeutet, dass die Technik auch als etwas genuin Menschliches verstanden
werden kann. Dann wäre die Frage nach der Technik einer ganz anderen Dimension zuzuordnen. Es
wäre kein bloß moralisches Problem, also ob die Technik gut oder schlecht an sich sein kann, zu welchen
Zwecken sie eingesetzt werden darf und ob jeder Zweck das Mittel rechtfertigt; keine Frage der
@@ -54,76 +48,74 @@ politischen Zugehörigkeit oder der persönlichen Einstellung, ob man bestimmte
befürwortet oder nicht und ob man an den hellen Morgen glaubt oder eher diesbezüglich pessimistisch
ist. Es wäre vielmehr eine philosophische Fragestellung, weil es vor allem die Philosophie ist, die
nach der Washeit der Dinge und der Möglichkeitsbedingungen fragt: Was ist der Mensch? Was macht einen
Menschen aus? Was ist und warum eigentlich Technik, was macht sie möglich?</p>
Menschen aus? Was ist und warum eigentlich Technik, was macht sie möglich?
<p>Die philosophische Natur ist auch aus einer anderen Überlegung einsehbar. Und zwar sind viele Fragen,
Die philosophische Natur ist auch aus einer anderen Überlegung einsehbar. Und zwar sind viele Fragen,
die mit der Technik verbunden sind, gar nicht durch das technische Denken selbst beantwortbar, sondern
bedürfen einer Reflexion, die über das Technische hinausgeht. Selbst wenn jemand behaupten würde, dass die
Technik nur aus sich heraus erklärt werden könne und müsse und keine weitere Rechtfertigung oder Würdigung
nötig habe, wäre das eine Behautpung, die die Grenzen des Technischen überschreitet.</p>
nötig habe, wäre das eine Behautpung, die die Grenzen des Technischen überschreitet.
<p>Im Folgenden will ich andeuten, welche Fragestellungen und Probleme das Eintreten des Technischen in unser Leben
Im Folgenden will ich andeuten, welche Fragestellungen und Probleme das Eintreten des Technischen in unser Leben
mit sich bringt. Mir geht es nicht darum, die Antworten auf bestimmte Fragen zu geben, sondern auf die
Spannungsfelder zu verweisen, die sich eröffnen, wenn man über das Technische nachdenkt, und so zu zeigen, dass es
sich dabei eigentlich um Philosophie handelt.</p>
sich dabei eigentlich um Philosophie handelt.
<h3>Kunst oder Mittel zum Zweck</h3>
\section{Kunst oder Mittel zum Zweck}
<p>Zunächst stellt sich die Frage nach dem Wesen und dem Ursprung des Technischen. Unter Technik verstehen
Zunächst stellt sich die Frage nach dem Wesen und dem Ursprung des Technischen. Unter Technik verstehen
wir bestimmte Arten von Menschenwerk, aber was lässt sich über den Status dieses Werks sagen? Hier gibt es
zwei entgegengesetzte Extreme: Man kann die Technik als die Folge des menschlichen zweckrationalen Handelns, das
heißt als Mittel zu einem bestimmten Zweck, oder als ein Kunstwerk verstehen. Das Verständnis von
Technik würde sich dann aus dem zweckrationalen Handeln und der schöpferischen Kraft zusammensetzen, wobei man
deren Rolle unterschiedlich gewichten kann.</p>
zwei entgegengesetzte Extreme: Man kann die Technik als die Folge des menschlichen zweckrationalen Handelns
, das heißt als Mittel zu einem bestimmten Zweck, oder als ein Kunstwerk verstehen. Das Verständnis von
Technik würde sich dann aus dem zweckrationalen Handeln und der schöpferischen Kraft zusammensetzen, wobei man deren Rolle
unterschiedlich gewichten kann.
<p>Was kann der Zweck der Technik sein? Wenn man einen möglichst allgemeinen Zweck nennen will, der auf möglichst viele
Was kann der Zweck der Technik sein? Wenn man einen möglichst allgemeinen Zweck nennen will, der auf möglichst viele
oder im besten Fall auf alle technischen Erfindungen zutrifft, dann würde ich das Bezwingen der Natur vorschlagen.
Die Technik kam in die Welt, um die Bürde der Arbeit leichter zu machen. Man kann vieles schneller und
qualitativ besser erledigen, wenn man passende Instrumente zur Hand hat. Es ging natürlich viel weiter, als nur
eigenes Überleben auf diese Weise zu sichern. Hier tritt der Begriff Luxus in Erscheinung: Man produziert
Gegenstände, die nicht unmittelbar notwendig sind. Es geht dann so weit, dass man im Zusammenhang mit der
Marktwirtschaft vom Produzieren der Bedürfnisse spricht.</p>
Marktwirtschaft vom Produzieren der Bedürfnisse spricht.
<p>Kunst kann man in einer gewissen Hinsicht der Zweckrationalität entgegenstellen. So spricht Kant von
ästhetischen Urteilen als dem Wohlgefallen ohne alles
Interesse<sup id="cite_ref-1" class="reference"><a href="#cite_note-1">1</a></sup>:
Kunst kann man in einer gewissen Hinsicht der Zweckrationalität entgegenstellen. So spricht Kant von
ästhetischen Urteilen als dem Wohlgefallen ohne alles Interesse\autocite[Vgl.][49]{kant:ku}:
„Wir können aber diesen Satz, der von vorzüglicher Erheblichkeit ist, nicht besser erläutern,
als wenn wir dem reinen uninteressierten Wohlgefallen im
Geschmacksurteile dasjenige, was mit Interesse verbunden ist, entgegensetzen
[&hellip;]“<sup id="cite_ref-2" class="reference"><a href="#cite_note-2">2</a></sup>.
Bei der Einführung der Technik spricht man oft von einer technischen <em>Erfindung</em>. Nun, wenn man
Geschmacksurteile dasjenige, was mit Interesse verbunden ist, entgegensetzen [\dots]“\autocite[50]{kant:ku}.
Bei der Einführung der Technik spricht man oft von einer technischen \textit{Erfindung}. Nun, wenn man
nicht gerade ein ideales Reich der Ideen, wo alle technischen Erfindungen bereits realisiert sind,
annimmt<sup id="cite_ref-3" class="reference"><a href="#cite_note-3">3</a></sup>, enthält die Technik eine künstliche Dimension,
in der die schöpferische Kraft des Menschen etwas Neues erfindet.</p>
annimmt\autocite[Vgl.][59f]{ropohl:aufklaerung}, enthält die Technik eine künstliche Dimension, in der
die schöpferische Kraft des Menschen etwas Neues erfindet.
<p>Nun es hat Konsequenzen, ob man die Technik mehr als Mittel zum Zweck oder Kunst versteht. Das Erfinden ist
Nun es hat Konsequenzen, ob man die Technik mehr als Mittel zum Zweck oder Kunst versteht. Das Erfinden ist
meines Erachtens ein wichtiger Bestandteil dessen, was die menschliche Freiheit konstituiert, und man versucht
diesen Bereich heute möglichst wenig zu zensieren, sondern es dem Menschen zu überlassen, sich auf seine
eigene Weise auszudrücken. Aber <em>darf</em> man auch im technischen Sinne alles erfinden, was man erfinden
<em>kann</em>?</p>
eigene Weise auszudrücken. Aber \textit{darf} man auch im technischen Sinne alles erfinden, was man erfinden
\textit{kann}?
<h3>Erhöhung der Lebensqualität oder Zerstörung</h3>
\section{Erhöhung der Lebensqualität oder Zerstörung}
<p>Ein Leben ohne technische Geräte im Haushalt ist kaum vorstellbar. Elektrische Geräte, Wasserversorgung,
Ein Leben ohne technische Geräte im Haushalt ist kaum vorstellbar. Elektrische Geräte, Wasserversorgung,
Computer, Telefone gehören zum Alltag. Selbst die allgemeine Zugänglichkeit der Gegenstände, die wir
normalerweise nicht als Technik bezeichnen würden, wie zum Beispiel Bücher, verdanken wir dem heutigen
Stand der Technik. Nicht anders ist es im beruflichen Umfeld. Auch die moderne Wissenschaft und Forschung
sind von Teilchenbeschleunigern und Supercomputern abhängig.</p>
sind von Teilchenbeschleunigern und Supercomputern abhängig.
<p>Technische Erfindungen bringen uns Komfort, erhöhen unsere Leistung, ermöglichen neue Arten von
Technische Erfindungen bringen uns Komfort, erhöhen unsere Leistung, ermöglichen neue Arten von
Kommunikation. Das hat allerdings auch eine andere Seite. Die Möglichkeiten, die die moderne Entwicklung
mit sich bringt, birgt viele Gefahren und versetzt wohl viele Menschen in Schrecken, was aus der
zahlreichen Kritik an der Technik zu sehen ist. Man denke nur an den Kalten Krieg oder an die
Atomkatastrophen der letzten Jahrzehnte: Tschernobyl und Fukushima, die zu vielen Protesten gegen die
Verwendung von Atomenergie geführt haben. Hans Blumenberg spricht in diesem Zusammenhang sogar von der
„Dämonie der Technik“<sup id="cite_ref-4" class="reference"><a href="#cite_note-4">4</a></sup>.</p>
„Dämonie der Technik“\autocite[Vgl.][11]{blumenberg:schriften-technik}.
<p>Andererseits, wenn man die Entwicklung der Energie verfolgt, so führen Streike und Proteste in der
Andererseits, wenn man die Entwicklung der Energie verfolgt, so führen Streike und Proteste in der
Gesellschaft nicht zu einem Rückschritt, nicht zur Abweisung der Atomenergie, sondern zur Suche nach
alternativen Lösungen. Man forscht weiter und schaut, ob man andere Energiequellen finden kann, die
die vorhandenen zumindest teilweise ersetzen können, ohne an Leistung zu verlieren. Das heißt, man sehnt
sich nicht nach der „Rückkehr zu Natur“, sondern man sucht
nach <em>technischen</em> Lösungen für die <em>technischen</em> Probleme. Das kann zu einem Zirkel führen,
nach \textit{technischen} Lösungen für die \textit{technischen} Probleme. Das kann zu einem Zirkel führen,
aus dem man vielleicht nicht rauskommen kann: Die vorhandene Technik motiviert zu Entwicklung anderer
Alternativen, die mit der Zeit wiederum Schwächen aufweisen, die wieder technisch ausgeglichen werden müssen
und so weiter. Ich denke, man hofft irgendwann ans Ende zu kommen und eine perfekte Lösung zu finden, die keine
@@ -131,167 +123,101 @@ beweinenswerten „Nebeneffekte“ hat. Die Frage, die der Mensch sich heute zu
natürlich: Wird es denn irgendwann so sein? Oder ist es nur ein Selbstbetrug und eitle Hoffnung?
Die Antwort, die jeder Mensch auf diese Frage gibt, ist von entscheidender Bedeutung für das Verhältnis des
Menschen zur Natur. Und die Frage selbst ist kaum eine wissenschaftliche Frage, sondern
vielmehr eine ethische und philosophische.</p>
vielmehr eine ethische und philosophische.
<p>Interessant ist, welche radikale Stellung Günter Ropohl nimmt. Er schreibt über ein anderes modernes Problem,
Interessant ist, welche radikale Stellung Günter Ropohl nimmt. Er schreibt über ein anderes modernes Problem,
das in dem Verhältnis des Menschen und der Technik und Natur ihren Ursprung hat: das ökologische Problem.
Er sieht die Lösung, wie ich oben beschrieben habe, in der weiteren technischen Entwicklung, die nicht nur
zu einer Ausbeutung der Natur für die Menschenzwecke führt, sondern die Natur unter Schutz mit Hilfe der Technik
nimmt, ganz in dem Sinne des Gartens Eden, den der erste Mensch zu pflegen und zu schützen gehabt habe, und
schreibt Folgendes:</p>
schreibt Folgendes:
<blockquote>
<p>Wenn die Gattung Mensch die nunmehr gebotene ökotechnologische Wende nicht vollzieht, wird sie gemäß
\begin{quote}
Wenn die Gattung Mensch die nunmehr gebotene ökotechnologische Wende nicht vollzieht, wird sie gemäß
ökologischen Prinzipien über kurz oder lang eliminiert werden; dann und nur dann wird es wieder Natur geben.
Wenn jedoch die Menschen die Hege und Pflege des irdischen Ökosystems mit der erforderlichen Konsequenz
vervollkommen, so bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger als das Ende der
Natur.<sup id="cite_ref-5" class="reference"><a href="#cite_note-5">5</a></sup></p>
</blockquote>
vervollkommen, so bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger als das Ende der Natur.\autocite[71]{ropohl:aufklaerung}
\end{quote}
<h3>Befreieung oder Versklavung</h3>
\section{Befreieung oder Versklavung}
<p>Der Satz im vorherigen Abschnitt, dass die Technik die Entwicklung weiterer Technik
<em>motivieren</em> kann, hat eine interessante Struktur. Die Technik wird hier <em>personifiziert</em>,
Der Satz im vorherigen Abschnitt, dass die Technik die Entwicklung weiterer Technik
\textit{motivieren} kann, hat eine interessante Struktur. Die Technik wird hier \textit{personifiziert},
einem unbelebten Gegenstand, einer unbelebten Struktur wird aktives Handeln zugeschrieben. Kann ein Messer
oder ein Handy handeln? Aber das ist eben das, was wir in der letzten Zeit beobachten. Die Technik hat
eine gewisse Autonomie, Eigentendenz.</p>
eine gewisse Autonomie, Eigentendenz.
<p>Die Technik hat schon im Laufe ihrer gesamten Geschichte geholfen, den Menschen von schwerer Arbeit zu
Die Technik hat schon im Laufe ihrer gesamten Geschichte geholfen, den Menschen von schwerer Arbeit zu
befreien, dem Menschen ein würdiges Dasein zu gewährleisten. Die Folgen davon kann man in heutiger Zeit
gut beobachten. In den entwickelten Ländern müssen relativ wenige Mensche schwere Arbeiten ausführen, vieles
kann von Maschinen teilweise oder vollständig übernommen werden. Und selbst, wenn die Maschine von mehreren
Menschen gesteuert werden muss, ist eine ganze andere Art der Arbeit, als die Tätigkeit selbst auszuführen.</p>
Menschen gesteuert werden muss, ist eine ganze andere Art der Arbeit, als die Tätigkeit selbst auszuführen.
<p>Kann man das aber nicht so hinstellen, dass während der Mensch von schwerer Arbeit befreit wird, er von
Kann man das aber nicht so hinstellen, dass während der Mensch von schwerer Arbeit befreit wird, er von
seinem Befreier abhängig wird? Und das ist nicht nur in dem Sinne, dass wir Instrumente verwenden, die
unser Leben erleichtern, dass wir gewissermaßen unserer Freiheit beraubt werden. Moderne Gesellschaft kennt
neue Arten von Sucht, wie zum Beispiel Spielsucht. Man hört Beschwerden über die jungen Leute, die die
ganze Zeit nur in ihr Handy starren, und keinerlei „reale“ Kontakte mehr haben (wobei ich
mich einer Meinung enthalten möchte, ob solche Beschwerden gerechtfertigt sind). Aber selbst,
wenn man von der individuellen Ebene absieht, schreibt Hans Blumenberg über „eine spezifische
Eigengesetzlichkeit“ eines Machtmittels wie
Atomkraft<sup id="cite_ref-6" class="reference"><a href="#cite_note-6">6</a></sup>:
Eigengesetzlichkeit“ eines Machtmittels wie Atomkraft\autocite[Vgl.][13]{blumenberg:schriften-technik}:
„So wie das technische Gebrauchsprodukt Bedarf zu erzeugen vermag, so schafft das technische Machtmittel
mit eigenartiger Automatie auslösende
Situationen.“<sup id="cite_ref-7" class="reference"><a href="#cite_note-7">7</a></sup></p>
mit eigenartiger Automatie auslösende Situationen.“\autocite[13]{blumenberg:schriften-technik}
<p>Hier stellt sich die Frage, ob ein Messer tatsächlich einen neutralen ethischen Wert hat, und es nur auf den
Hier stellt sich die Frage, ob ein Messer tatsächlich einen neutralen ethischen Wert hat, und es nur auf den
Menschen ankommt der ihn verwendet, ob er damit nur das Brot schneidet oder noch für andere Zwecke einsetzt,
oder ob ein Messer einen immanenten Wert hat, der zu dessen Benutzung nicht nur für gute Zwecke
herausfordert.</p>
herausfordert.
<h3>Gleichheit oder Zerspaltung</h3>
\section{Gleichheit oder Zerspaltung}
<p>Ein weiteres von der Technik verfolgtes Ziel ist, die Kluft zwischen sozialen Schichten der
Ein weiteres von der Technik verfolgtes Ziel ist, die Kluft zwischen sozialen Schichten der
Gesellschaft geringer zu machen. Technische Mittel ermöglichen es, verschiedene Artefakte für
alle Menschen zugänglich zu machen. Zum Beispiel der Buchdruck hat dazu geführt, dass die
Produktionskosten von Büchern stark gesunken sind, und viel mehr Menschen sich den Kauf von
Büchern erlauben konnten.</p>
Büchern erlauben konnten.
<p>Das Beispiel der Bücher ist auch geeignet, wenn man die Bücher als Informationsquelle
Das Beispiel der Bücher ist auch geeignet, wenn man die Bücher als Informationsquelle
betrachtet und zur heutigen digitalen Informationsvermittlung kommt.
Man könnte denken, dass, wenn die Mehrheit der Bevölkerung einen Internetzugang
und einen Computer hat, es allen den gleichen Zugang zu den Informationen automatisch
ermöglichen würde.</p>
ermöglichen würde.
<p>Dem kann man entgegenbringen, dass die Quantität noch nichts über die Qualität sagt, denn
Dem kann man entgegenbringen, dass die Quantität noch nichts über die Qualität sagt, denn
ein Internetzugang noch nichts darüber sagt, wie er genutzt wird. Da die Nutzung der digitalen
Medien immer mehr an Bedeutung gewinnt, zum Beispiel, in der Schule und am Arbeitsplatz, kommt
es dazu, dass einige gesellschaftliche Gruppen noch weiter voran kommen, weil sie mit entsprechenden
technischen Mitteln umgehen können, die anderen darauf nicht zugreifen. So wird die Kluft nicht kleiner,
sondern im Gegensatz größer. Dieses Phänomen ist keine Spekulation, sondern wurde durch Studien
bereits vor etwa 20 Jahren entdeckt und immer wieder bestätigt. Es hat den Namen „digitale
Spaltung“ (Digital divide) bekommen.<sup id="cite_ref-8" class="reference"><a href="#cite_note-8">8</a></sup></p>
Spaltung“ (Digital divide) bekommen.\autocite[Vgl.][206--221]{filipovic:ungleichheit}
<h3>Schlussbemerkung</h3>
<p>Mit diesen wenigen Beispielen habe ich zu zeigen versucht, dass die technische Entwicklung unserer Zeit sehr
\section{Schlussbemerkung}
Mit diesen wenigen Beispielen habe ich zu zeigen versucht, dass die technische Entwicklung unserer Zeit sehr
schwer nur mit einem „Gut“ oder „Schlecht“ bewertet werden kann. Es stehen immer komplexe
Fragen im Hintergrund, die zwei Seiten haben und wo die goldne Mitte nicht unbedingt einfach zu finden
ist.</p>
ist.
<p>Viele Probleme, die direkt oder nur indirekt von der Wissenschaft und Technik verursacht wurden, sind
Viele Probleme, die direkt oder nur indirekt von der Wissenschaft und Technik verursacht wurden, sind
gar keine wissenschaftliche und noch weniger technische Fragen, sondern sie berühren solche Bereiche wie
die der Ethik, der Verantwortung und des menschlichen Selbstverständnisses. Sie haben auch eher wenig
Bedeutung für die Wissenschaft oder Technik, dafür aber für die menschliche Existenz, sowohl auf der
individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene.</p>
individuellen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene.
<p>Das ist der Grund, warum ich denke, dass eine philosophische Reflexion im Bereich der Technik unentbehrlich
Das ist der Grund, warum ich denke, dass eine philosophische Reflexion im Bereich der Technik unentbehrlich
ist. Ich denke, es ist verantwortungslos, alles dem natürlichen Lauf der Dinge zu überlassen, ohne sich
zumindest zu fragen, warum es so geschieht, welche Konsequenzen es haben kann und ob man in einer
bestimmten Lage etwas unternehmen soll oder kann. Wieder wäre es äußerst wichtig, dass eine solche philosophische
Reflexion die moderne Entwicklung nicht bloß dämonisiert oder glorifiziert, sondern möglichst gerecht
und ausgeglichen verläuft, weil sie nur so ernst genommen werden kann, was nicht zu vernachlässigen ist, wenn
die Technikkritik nicht in der Luft hängen oder nur deskriptiv bleiben will, sondern auch etwas aktiv
für die Zukunft bewirken will.</p>
für die Zukunft bewirken will.
<blockquote>
<p>So wäre es eine wichtige Aufgabe für eine Philosophie der Technik an Schule und Hochschule, den zukünftigen
\begin{quote}
So wäre es eine wichtige Aufgabe für eine Philosophie der Technik an Schule und Hochschule, den zukünftigen
Ingenieuren und Technikern zeigen zu können, wie Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Praxis
zusammenhängen, welche Rolle die Arbeit, die Praxis, die gestaltete Technik, die Muße und die Kunst bei
der Konstitution unseres Selbstverständnisses
spielen.<sup id="cite_ref-9" class="reference"><a href="#cite_note-9">9</a></sup></p>
</blockquote>
</section>
<footer>
<ol class="references">
<li id="cite_note-1">
<a class="backlink" href="#cite_ref-1">^</a>
<span>
Vgl. Immanuel Kant. "Kritik der Urteilskraft". In: <i>Die drei Kritiken.
Kritik der reinen Vernunft. Kritik der praktischen Vernunft. Kritik der
Urteilskraft</i>. Hrsg. von Heiner F. Klemme. Mit Erläut.
von Piero Giordanetti. Hamburg, 2003, S. 49.
</span>
</li>
<li id="cite_note-2">
<a class="backlink" href="#cite_ref-2">^</a>
<span>Ebd., S. 50.</span>
</li>
<li id="cite_note-3">
<a class="backlink" href="#cite_ref-3">^</a>
<span>
Vgl. Günter Ropohl. <i>Technologische Aufklärung. Beiträge zur
Technikphilosophie</i>. Frankfurt am Main, 1991, S. 59f.
</span>
</li>
<li id="cite_note-4">
<a class="backlink" href="#cite_ref-4">^</a>
<span>
Vgl. Hans Blumenberg. <i>Schriften zur Technik</i>.
Hrsg. von Alexander Schmitz und Bernd Stiegler. Berlin, 2015, S. 11.
</span>
</li>
<li id="cite_note-5">
<a class="backlink" href="#cite_ref-5">^</a>
<span>Ropohl, <i>Technologische Aufklärung</i>, S. 71.</span>
</li>
<li id="cite_note-6">
<a class="backlink" href="#cite_ref-6">^</a>
<span>Vgl. Blumenberg, <i>Schriften zur Technik</i>, S. 13.</span>
</li>
<li id="cite_note-7">
<a class="backlink" href="#cite_ref-7">^</a>
<span>Ebd., S. 13.</span>
</li>
<li id="cite_note-8">
<a class="backlink" href="#cite_ref-8">^</a>
<span>
Vgl. Alexander Filipović. "Ungleichheit in der vernetzten Gesellschaft. Der
Zusammenhang von Internetnutzung und sozialer Ungleichheit in medienethischer
Perspektive". In: <i>Neuvermessung der Medienethik. Bilanz, Themen und
Herausforderungen seit 2000</i>. Hrsg. von Marlis Prinzing u. a. Weinheim und
Basel, 2015, S. 206221, S. 206221.
</span>
</li>
<li id="cite_note-9">
<a class="backlink" href="#cite_ref-9">^</a>
<span>
Klaus Kornwachs. <i>Philosophie der Technik. Eine Einführung</i>. München, 2013,
S. 105.
</span>
</li>
</ol>
</footer>
der Konstitution unseres Selbstverständnisses spielen.\autocite[105]{kornwachs:technik}
\end{quote}