Mark epigraphs in the bachelor thesis

This commit is contained in:
2024-01-24 20:01:00 +01:00
parent fc19888be1
commit 0a61f92ab6
4 changed files with 464 additions and 16 deletions

View File

@@ -20,7 +20,7 @@ teaser: |
\epigraph{%
[D]ie Kunst ist lang,\\
Und kurz ist unser Leben.}
{\textbf{Faust I\\Johann Wolfgang von Goethe\footcite[20]{faust}}}
{\textbf{Faust I\\Johann Wolfgang von Goethe}\footcite[20]{faust}}
Heutzutage wird oft und intensiv über die Fortschritte der Wissenschaft
gesprochen. Vieles, ohne was der moderne Mensch sein Leben nicht mehr vorstellen
@@ -408,12 +408,12 @@ Es ist also nicht der Wille selbst, wie es bei Nietzsche der Fall ist.\footcite[
\subsubsection{Entstehung und Verfall der griechischen Tragödie}
\begin{quote}
„Die tragische Kunst, an beiden Erfahrungen reich, wird
\epigraph{Die tragische Kunst, an beiden Erfahrungen reich, wird
als Versöhnung des Apoll und Dionysos bezeichnet: der Erscheinung wird die tiefste
Bedeutsamkeit geschenkt, durch Dionysos: und diese Erscheinung wird doch verneint
und mit Lust verneint.\footcite[181]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
und mit Lust verneint.}
{\textit{Herbst 1885 -- Herbst 1886}\\
\textbf{Friedrich Nietzsche}\footcite[181]{nietzsche:fragmente}}
Nietzsche hat die tragische Kunst als Gegenstand seiner Betrachtung ausgewählt, weil
sie die Tragik des Lebens wiedergibt. Alles Leben dreht sich selbst im ewigen Kreis

File diff suppressed because one or more lines are too long

View File

@@ -0,0 +1,456 @@
---
layout: post
date: 2015-04-30 11:35:00
tags: Aufsatz
title: Zur Bedeutung der Kunst bei Friedrich Nietzsche. Teil 3. Die Kunst und das Leben
teaser:
<p>
Nietzsche unternimmt einen neuen Versuch, dem Leben, so wie es ist, einen
Sinn zu geben. Es ist keine Rechtfertigung, die auf eine bestimmte Theologie
oder ein Moralsystem stützt, sondern dies ist die Rechtfertigung eines
Künstlers. Nur als ein ästhetisches Phänomen lässt sich das Dasein als
lebenswert erfahren.
</p>
---
\epigraph{Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große Ermöglicherin des Lebens, die große
Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens.}
{\textit{Mai -- Juni 1888}\\
\textbf{Friedrich Nietzsche}\footcite[283]{nietzsche:fragmente}}
In der „Geburt der Tragödie“ steht ein bekannter Satz, der oft zitiert wird. Nietzsche
unternimmt einen neuen Versuch, dem Leben, so wie es ist, einen Sinn zu geben. Es ist keine
Rechtfertigung, die auf eine bestimmte Theologie oder ein Moralsystem stützt, sondern
dies ist die Rechtfertigung eines Künstlers. Nur als ein ästhetisches Phänomen lässt
sich das Dasein als lebenswert erfahren.\footcite[Vgl.][47]{nietzsche:geburt}
Alles andere ist hilflos gegen die Weisheit des Silen. 1878 stellt Nietzsche die Moral
der Kunst entgegen und schreibt rückblickend:
\begin{quote}
Damals glaubte ich daß die Welt vom aesthetischen Standpunkt
aus ein Schauspiel und als solches von ihrem Dichter gemeint sei, daß sie aber als
moralisches Phänomen ein Betrug sei: weshalb ich zu dem Schlusse kam, daß nur als
aesthetisches Phänomen die Welt sich rechtfertigen lasse.\footcite[55]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
Nur als Teilnahme am Traum eines göttlichen Wesens kann die menschliche Existenz
gerechtfertigt werden, nur so können die extremen Widersprüche im menschlichen Dasein
erträglich gemacht werden.\footcite[Vgl.][59 ff]{ries:geburt}
Mithilfe der Kunst versucht Nietzsche dem Pessimismus und Nihilismus zu entkommen
und sagen: Das Leben muss bejaht werden! W. Ries nennt die Rechtfertigung des Lebens
bei Nietzsche „die letzte Bastion gegenüber einer Gegenwart […], welche durch
die universale Banalisierung ihrer reduzierten Lebensvollzüge funktionalistisch charakterisiert
werden kann, einer Gegenwart, aus welcher die Götter ebenso endgültig verschwunden
sind wie die griechische Heiterkeit und an deren Trivialität es nichts mehr zu rechtfertigen
gibt.“\footcite[66]{ries:geburt}
\subsubsection{1. Die Kunst als Wahrheit oder die Kunst anstatt der Wahrheit}
Der Grund, warum Nietzsche die alten Ideale wie Religion und Moral als nicht
lebenstauglich verwirft, liegt darin, dass sie ein objektives System von
Urteilen voraussetzen, zum Beispiel einen Gott und ein göttliches Gesetz oder
die Idee des Guten, gegenüber welchen Nietzsche sehr skeptisch ist. Erkenntnistheoretisch
besteht das Problem darin, dass man sie nicht mit voller Sicherheit begründen kann.
Im Fall mit der Religion spielt der Glaube eine enorme Rolle und die Glaubenssätze
können nicht auf die logische Ebene zurückgeführt werden, sonst würde es sich um keine
Religion, sondern um eine Wissenschaft handeln. Im Fall mit der Moral besteht die
Gefahr, dass alle Normen, die als objektiv gültig zu sein scheinen, bloß eine Folge
der kulturellen Entwicklung sind, sodass die Moral sich dann als „eine Summe von
Vorurtheilen“\footcite[67]{nietzsche:fragmente} entlarven lässt. Die
menschliche Entwicklung und die kulturellen Zusammenhänge sind oft dermaßen
kompliziert, dass es sich kaum unterscheiden lässt, was objektiv und was ein
subjektives (oder ein kollektives) Vorurteil ist. Im Sommer 1880 stellt Nietzsche
die Moral der Wissenschaft gegenüber:
\begin{quote}
In den Wissenschaften der speziellsten Art redet man
am bestimmtesten: jeder Begriff ist genau umgrenzt. Am unsichersten wohl in der Moral,
jeder empfindet bei jedem Worte etwas Anderes und je nach Stimmung, hier ist die Erziehung
vernachlässigt, alle Worte haben einen Dunstkreis bald groß bald eng werdend.\footcite[66]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
Auch der moderne Pluralismus lehrt, dass es nicht so einfach ist, eine Religion
oder ein Moralsystem in den Bereich des Absoluten zu erheben.
Volker Gerhardt findet Nietzsches Hervorheben der ästhetischen Seite des Daseins
provokativ und fragt: „Wie weit reicht eigentlich die Provokation des moralischen
Denkens durch die Forderung nach einer ganz und gar ästhetischen Betrachtung des Seins?“\footcite[47]{artisten-metaphysik}
Ist Nietzsches Argumentation ernst gemeint oder will er einfach in jeder Diskussion
Recht behalten, indem er moralische Urteile relativiert und an ihre Stelle ästhetische
Sichtweise erhebt? V. Gerhardt argumentiert, dass es kränkend sei, wenn jemand moralische
Argumente bringt, die von dem Opponenten nicht ernst genommen werden, sodass der Letztere
sich noch berechtigt fühlen könne, seine Untat zu rechtfertigen und zu wiederholen.
Außerdem kann man einen solchen „Künstler“ überhaupt ernst nehmen, wenn „Grausamkeiten
belächelt, fremde Qualen genossen und eigene Pflichten bloß theatralisch genommen
werden“?\footcite[Vgl.][47]{artisten-metaphysik} Darauf kann man zweierlei antworten:
\begin{enumerate}
\item
Innerhalb eines Freundeskreises, einer Kultur oder sogar einer Epoche
würde vielleicht tatsächlich „jeder von uns empört, wenn ein ernstes moralisches Anliegen
durch Hinweis auf ästhetische Reize zurückgewiesen wird“.\footcite[47]{artisten-metaphysik}
Nun wird die Frage nach der Geltung der Moral, nach dem Vorhandensein allgemein gültiger
moralischer Regeln, von Nietzsche viel radikaler gestellt. Ihn interessiert, ob es
prinzipiell eine moralische Gesetzgebung gibt, die dieselbe Gültigkeit wie ein physikalisches
Gesetz hat, das überall auf der Erde in allen Zeiten gültig ist. Nietzsche verneint
die Möglichkeit der Existenz einer moralischen Gesetzgebung.
Wird nicht jeder von
uns empört, wenn ein moralisches Anliegen diametral entgegengesetzt bewertet wird,
aufgrund eines anderen Wertesystems, einer andersartigen Ethikkonzeption oder eines
ungleichen kulturellen Hintergrundes? Lässt es sich in der Tat immer über die moralischen
Urteile streiten? Man denke nur an moralische Konflikte auf einer größeren, politischen,
Ebene zwischen den Ländern, deren moralische Wertesysteme durch eine Jahrhunderte
und Jahrtausende lange Geschichte geprägt sind.
\item „Ästhetisch“ und „theatralisch“
kann nicht einfach mit „frech“, „leichtsinnig“, „gleichgültig“, „egoistisch“ gleichgesetzt
werden. Auf der Bühne des Theaters kann sehr ernst gespielt werden (man denke nur,
welche existenzielle Bedeutung hat nach Nietzsche die griechische Tragödie). Des Weiteren
kann man sehr wohl auf Moralsysteme mit den Maximen wie „Vertraue keinem Menschen“,
„Erreiche dein Ziel um jeden Preis“, „Kümmere dich nur um dich selbst und um die Menschen,
die dir etwas bedeuten“ und so weiter stoßen. Auf der anderen Seite kann man sein
Leben ästhetisch als ein schönes und gutes Kunstwerk gestalten. Die Frage, ob die
Moral oder die Ästhetik mehr Wahres in sich hat, ist theoretischer Natur. Welche Auswirkung
auf das menschliche Handeln die Entscheidung für entweder moralische oder ästhetische
Weltbetrachtung hat, hängt allein von der Lebenseinstellung des Handelnden.
\end{enumerate}
Alles, was „jenseits“, nicht sinnlich ist, will Nietzsche aus der Philosophie verbannen,
und wieder hat hier die Philosophie von der Kunst zu lernen:
\begin{quote}
In der Hauptsache gebe ich den Künstlern mehr Recht
als allen Philosophen bisher: sie verloren die große Spur nicht, auf der das Leben
geht, sie liebten die Dinge dieser Welt, - sie liebten ihre Sinne. Entsinnlichung
zu erstreben: das scheint mir ein Mißverständnisß oder eine Krankheit oder eine Kur,
wo sie nicht eine bloße Heuchelei oder Selbstbetrügerei ist. […] Was gehen
uns die priesterlichen und metaphysischen Verketzerungen der Sinne an!\footcite[154]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
Gegen die christlichen Vorstellungen und philosophische Systeme, die den Leib als
Kerker der Seele betrachten, setzt Nietzsche fort und sagt, dass es sogar „ein Merkmal
der Wohlgerathenheit [ist], wenn Einer gleich Goethen mit immer größerer Lust und
Herzlichkeit an den Dingen der Welt hängt“.\footcite[154]{nietzsche:fragmente}
Zwar nennt er diese Welt, wie oben gesagt, eine Scheinwelt, aber es gibt keine andere.
Wenn Nietzsche darüber spricht, dass wir in einer Scheinwelt leben, so verweist er
nicht auf eine wahre, reale Welt, es existiert keine „Hinterwelt“\footcite[Vgl.][93]{nietzsche:fragmente}
Er will kein Dualist sein und akzeptiert nur die Realität, die er mit seinen Sinnen
wahrnehmen kann, selbst wenn sie eine Täuschung sein soll:
\begin{quote}
Wir finden das Umgekehrte, die Gegenbewegung gegen die
absolute Autorität der Göttin Vernunft überall, wo es tiefere Menschen giebt. Fanatische
Logiker brachten es zu Wege, daß die Welt eine Täuschung ist; und daß nur im Denken
der Weg zum Sein, zum Unbedingten gegeben sei. Dagegen habe ich Vergnügen an der
Welt, wenn sie Täuschung sein sollte; und über den Verstand der Verständigsten hat
man sich immer unter vollständigeren M<enschen> lustig gemacht.\footcite[162]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
\subsubsection{2. Wissenschaft}
Nicht nur Religion und Moral können uns keine Aussage über die Welt, wie sie
an sich ist, und über die Wahrheit geben, auch die Wissenschaft kann es kaum.
Wenn auch Walter Schulz Nietzsche „wissenschaftsgläubig“ nennt,\footcite[Vgl.][19]{schulz:function-and-place}
so hat Nietzsche doch die Wissenschaft zu verschiedenen Zeiten seines Lebens unterschiedlich
bewertet. Ja, die Wissenschaft mag sich auf empirische Daten stützen und deswegen
nicht so subjektiv sein, wie Metaphysik, Religion oder Moral. Es stellt sich allerdings
die Frage, ob die Wissenschaft deswegen einen Anspruch auf die Wahrheit hat.
Besonders gut lässt sich die Berechtigung dieser Frage nachvollziehen, wenn man
einen kurzen Blick auf die moderne Wissenschaftstheorie wirft. Moderne Wissenschaften
geben heutzutage gar nicht vor, die Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen, was
vor zwei oder drei Jahrhunderten der Fall war. Die naive Vorstellung, die Wissenschaft
erforsche die Wirklichkeit, ist zwar verbreitet, aber nicht in den wissenschaftlichen
Kreisen selbst. Moderne Wissenschaften basieren auf Theorien, was bedeutet, dass sie
mit von Menschen erschaffe- nen Modellen arbeiten, die helfen, bestimmte Phänomene
zu erklären oder gewisse Berechnungen durchzuführen.
Hatte Nietzsche nicht schon damals Recht, als er die einzig reale für den Menschen
Welt eine Scheinwelt genannt hat, denn wie sonst kann man erklären, dass der Mensch
kein Wissen über die Tatsachen der Welt hat, sondern ledigilich auf die Bildung von
Theorien angewiesen ist? Man kann jetzt die radikale Frage stellen, ob die Wissenschaft
selbst nicht eine „Kunstgattung“ ist. Die Gegenfrage würde lauten: Wenn man die Kunst
braucht, um das Leben umzulügen, es umzudichten und so erträglich zu machen, wozu
braucht man dann die Wissenschaft?
\begin{quote}
Die Bequemlichkeit, Sicherheit, Furchtsamkeit, Faulheit,
Feigheit ist es, was dem Leben den gefährlichen Charakter zu nehmen sucht und alles
organisiren möchte - Tartüfferie der ökonomischen Wissenschaft\footcite[135]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
Wissenschaften bringen Sicherheit ins Leben. Diese Funktion hatten früher die heidnischen
Religionen. Man fühlte sich sicherer, wenn man wusste, dass man nicht der blinden,
gleichgültigen Natur ausgeliefert ist; wenn man wusste, dass eine Götterwelt sich
hinter allen Naturphänomenen verbirgt, die man anbeten kann und so bekam man das Gefühl,
dass man ein gewisses Maß an Kontrolle über die Natur hat. Deswegen schreibt Nietzsche
über die griechische Mythologie, dass die Götter des Olymps „aus tiefster Nöthigung“\footcite[36]{nietzsche:geburt}
geschaffen wurden.
Diese Rolle der Lebensabsicherung hat später die Wissenschaft übernommen. Sie ermöglicht
einerseits Zusammenhänge zwischen den Ereignissen festzustellen und daraus auf die
Naturgesetze zu schließen, und so erscheint die Welt nicht mehr chaotisch, sondern
wird geordnet und als ein nach Gesetzen funktionierendes System vorgestellt. Andererseits
versetzt die Wissenschaft in die Lage, Voraussagen über die Zukunft zu treffen. Aufgrund
der Komplexität der physikalischen Systeme, können alle natürlichen Ereignisse in
so großen Systemen wie unser Universum nicht genau vorhergesehen werden, weshalb,
was die Auswirkung auf den Menschen betrifft, die Vorhersagemöglichkeit der Naturphänomene
analog zu Anbetung der Götter ist, weil beides mehr Sicherheit in den folgenden Tag bringt.
Etwas andere Sicht auf die Wissenschaft bietet eine andere Aufzeichnung von Nietzsche,
die aus der Zeit zwischen dem Herbst 1885 und Herbst 1886 stammt:
\begin{quote}
Man findet in den Dingen nichts wieder als was man nicht
selbst hineingesteckt hat: dies Kinderspiel, von dem ich nicht gering denken möchte,
heißt sich Wissenschaft? […] das Wiederfinden heißt sich Wissenschaft, das
Hineinstecken - Kunst, Religion, Liebe, Stolz.\footcite[188]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
In diesem Modell ist es die schöpferische Kraft des Menschen die, die Welt schafft.
Die Wissenschaft hat zu ihrer Aufgabe die so erschaffene Welt zu analysieren und aus
den gewonnenen Daten ein wissenschaftliches System zu formen. Diesen Gedanken findet
man ebenfalls in der modernen Wissenschaftstheorie wieder, und zwar im Konzept der
Operationalisierung. Das ist ein wichtiges Konzept, das ermöglicht, ein Objekt unter
bestimmte Begriffe zu subsumieren. Operationalisierung sagt uns nichts über die realen
Eigenschaften eines Objektes, es besagt bloß, dass, um einem Objekt einen Begriff
zuzuordnen, eine Messmethode angegeben wieden muss. Ein Beispiel aus der Psychologie
wäre ein Intelligenztest. Empirisches Problem beim Durchführen eines derartigen Tests
ist, dass es nicht klar ist, was Intelligenz eigentlich ist, was genau unter Intelligenz
verstanden wird. Man würde den Begriff „Intelligenz“ operationalisierbar machen, wenn
man eindeutig eingeben würde, wie die Intelligenz zu messen ist (zum Beispiel anhand
eines Tests, der genauso universell für die Messung der Intelligenz ist, wie ein Lineal
für die Messung der Länge). Das hätte das Problem mit der Subjektivität und Begrenztheit
eines Intelligenztests gelöst, man hätte sie messen können und mit den Messwerten
anderer Menschen vergleichen. Dafür, dass der Begriff „Intelligenz“ nun operationalisierbar
wäre, würde man jedoch ein anderes Problem bekommen: Bevor man anfängt etwas zu messen,
muss man definieren, wie es zu messen ist. In dem Fall mit der Intelligenz bedeutet
es, dass man nicht auf die „Idee der Intelligenz“ in einem platonischen Ideenreich
zugreift, die objektiv definiert, was die Intelligenz ist, sondern man legt vorher
selbst fest, was es ist und wie es zu messen gilt. In den Naturwissenschaften ist
es nicht anders: Man misst nicht etwas aus der objektiven Wirklichkeit, sondern nur
das, was man messen will, mit Nietzsche gesagt: Man misst nur das, was man in
die Natur „hineingesteckt“ hat.
Man kann Nietzsches Metaphysik auch auf die Wissenschaft anwenden. Wissenschaft
erscheint in diesem Licht als eine lebensnotwendige Lüge, genauso wie die Welt, die
von ihr erforscht wird.
\subsubsection{3. Pessimismus und Optimismus in der Kunst}
"Nietzsche legt - das Gesamt der geistigen Tätigkeiten durchmusternd - dar, daß Metaphysik, Moral,
Religion und Wissenschaft nur verschiedene Formen der Lüge sind."\footcite[12]{schulz:function-and-place}
Menschen haben aber das innere Streben nach der Wahrheit, sonst hätte man diese Lügen
nicht ausgedacht. Aber auch mit der Kunst steht es nicht viel anders, und Walter Schulz
schreibt an einer anderen Stelle: "Die Kunst lügt um, aber sie umlügen, weil wir sonst
nicht leben können."\footcite[11]{schulz:function-and-place}Und wenn auch die
Welt nur ein Kunstwerk ist, ist auch sie durch und durch lügnerisch. Und wenn man
diese Wahrheit niemals erreichen kann, weil es sie nach Nietzsche nicht gibt, dann
hat kann man sich fragen, was für einen Sinn das Leben überhaupt hat, und ob es ausreicht
sich ästhetisch zu betrügen, wenn man jede Sekunde weiß, dass es nur eine Lüge ist.
Diese Frage ist entscheidend für Nietzsche, weil er sich nicht als Pessimist verstehen
will. Wenn er im „Versuch einer Selbstkritik“ dem Optimismus als dem Zeichen des Verfalls
den Pessimismus gegenüberstellt,\footcite[Vgl.][12 f]{nietzsche:geburt} so
meint er mit dem „Pessimismus“ in diesem Fall etwas anderes. Optimismus, den Nietzsche
zu bekämpfen sucht, ist der Optimismus in der Erkenntnis, sokratische Einstellung,
dass das Sein in seinem Grund vernünftig, geordnet und berechenbar ist. Das ist auch,
was heute oft als „positives Denken“ bekannt ist. Denke positiv, schließe deine geistigen
Augen und merke nicht die Probleme und die Welt um dich herum. Diese Lebenshaltung ist zu „apollinisch“.
Der Gegenbegriff zum Optimismus ist der Pessimismus oder wie Nietzsche sagt „Pessimismus
der Stärke“.\footcite[12]{nietzsche:geburt} Es zeugt von gewisser
Stärke, die Welt in ihrem dionysischen Chaos und ihrer Absurdität anzuerkennen und
trotzdem „Ja“ zum Leben zu sagen. Es gibt aber auch das, was man analog zum „Pessimismus
der Stärke“ „Pessimismus der Schwäche“ nennen könnte. Das ist, wenn man zwar keine
Angst hat, in die Abgründe des Seins zu schauen, aber zu schwach ist, die Welt trotz alledem zu bejahen.
Wie ich oben erwähnte hat Nietzsche die Überschrift der zweiten Ausgabe der „Geburt
der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ verändert, das Buch hieß nun „Die Geburt der
Tragödie. Oder: Griechenthum und Pessimismus“. Im „Versuch einer Selbstkritik“ beschreibt
er „Griechentum und das Kunstwerk des Pessimismus“,\footcite[12]{nietzsche:geburt}
wobei die Griechen positiv als Pessimisten beschrieben werden, da Nietzsche sie im
nächsten Satz die „zum Leben verführendste Art der bisherigen Menschen“\footcite[12]{nietzsche:geburt}
nennt. Auch in seiner Aufzeichnung zur „Geburt der Tragödie“ aus dem Herbst 1885 -
Herbst 1886 äußert er sich positiv über die „pessimistische Religion“, die an den
tragischen Mythos gebunden ist: „Ein Verlangen nach dem tragischen Mythus (nach Religion
und zwar pessimistischer Religion) (als einer abschließenden Glocke worin Wachsendes
gedeiht)“.\footcite[181]{nietzsche:fragmente}
In „Ecce homo“, in dem Abschnitt, wo Nietzsche „Die Geburt der Tragödie“ reflektiert,
verdreht er allerdings die ursprüngliche Bedeutung des zweiten Teils der Überschrift
und, um anscheinend seine Opposition gegen den „Pessmismus der Schwäche“ zu betonen,
spricht er von Griechen, die im Gegenteil keinen Pessimismus kannten: „Griechenthum
und Pessimismus: das wäre ein unzweideutigerer Titel gewesen: nämlich als erste Belehrung
darüber, wie die Griechen fertig wurden mit dem Pessimismus, - womit sie ihn überwunden…
Die Tragödie gerade ist der Beweis dafür, dass die Griechen keine Pessimisten
waren: Schopenhauer vergriff sich hier, wie er sich in Allem vergriffen
hat“.\footcite[Vgl.][309]{nietzsche:ecce-homo}
Es gibt „das Kunstwerk des Pessimismus“,\footcite[12]{nietzsche:geburt}
das dem Menschen offenbart, was der Pessimismus der Stärke ist, aber es gibt keine
pessimistische Kunst im Sinne des Pessimismus der Schwäche.
Das Verständnis von Pessimismus ist der Punkt, in dem Nietzsche sich von seinem geistigen
Lehrer Schopenhauer absetzt, wie man es aus dem letzten Zitat aus „Ecce homo“ sieht.
Schopenhauer hat den dunklen, in sich widersprüchlichen Kern des Daseins entdeckt. Nietzsche
geht einen Schritt weiter und behauptet, dass das Dasein zu bejahen ist. 1888 antwortet
Nietzsche auf die Frage „Pessimismus in der Kunst?“, die in der Überschrift seiner
Aufzeichnung steht, folgendermaßen:
\begin{quote}
Kunst ist wesentlich Bejahung, Segnung, Vergöttlichung
des Daseins…\\-: Was bedeutet eine pessimistische Kunst?.. Ist das nicht
eine contradictio? - Ja.\\Schopenhauer irrt, wenn er gewisse Werke der Kunst in
den Dienst des Pessimism stellt. Die Tragödie lehrt nicht Resignation\\-
Die furchtbaren und fragwürdigen Dinge darstellen ist selbst schon ein Instinkt der
Macht und Herrlichkeit am Künstler: er fürchtet sie nicht… Es giebt keine pessimistische
Kunst.. Die Kunst bejaht. Hiob bejaht.\footcite[250]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
\subsubsection{4. Ästhetische Rechtfertigung des Daseins}
Wenn man nach dem Sinn des Lebens fragt, dann fragt man: „Welchen Zweck hat
das Leben?“. Die Möglichkeit einer vernünftigen
Antwort auf diese Frage setzt also voraus, dass es eine Zweckmäßigkeit in der Natur
gibt, dass sie nach einem Prinzip funktioniert. Nun ist der dionysische Grund in dieser
Hinsicht nicht anders als dessen Vorbild, der Wille bei Arthur Schopenhauer, er „hat
kein Ziel und ist kein Prinzip, er begründet nichts, richtet nicht und kann folglich
auch nichts rechtfertigen“.\footcite[55]{artisten-metaphysik} Wenn
die Welt das menschliche Dasein nicht rechtfertigen kann, so kann es nur der Mensch
selbst. Der Mensch projiziert aber sein Bedürfnis nach einem Sinn in die Welt, um
sich von der Last, sein Dasein rechtfertigen zu müssen, zu befreien. Dies führt zur
Entstehung großer Systeme wie die Moral oder Religionen. Wenn man aufhört nach dem
Sinn in der Außenwelt zu suchen, weil die menschliche Erkenntnis nicht zuverlässig
ist, so ist das Einzige, was übrig bleibt, in sich selbst zu suchen, weil man die
Grenzen seiner Selbst nicht sprengen kann.\footcite[Vgl.][55]{artisten-metaphysik}
Da Nietzsche das bis zum Ende konsequent durchdenkt, kommt er zu dem Schluss, dass
die Rechtfertigung des Daseins nur von dem Menschen selbst ausgehen kann, wenn
sie überhaupt möglich sein soll.
Volker Gerhardt setzt den Gedanken über die Rechtfertigung des Lebens fort und
verbindet ihn mit den Bedingungen des menschlichen Handelns. Ein mit Sinn erfülltes
Leben ist die Voraussetzung für das menschliche Handeln, weil, wenn man keinen Grund
zu leben hat, man auch keinen Grund zu handeln hat, woraus folgt, dass es Nietzsche
nicht nur um die theoretische, sondern auch um die praktische Philosophie geht.\footcite[Vgl.][52--54]{artisten-metaphysik}
Deswegen hat die Lösung des Problems, ob das Dasein für den Menschen befriedigend
gerechtfertigt werden kann, weitreichende Konsequenzen für das individuelle und gesellschaftliche
Leben, das aus handelnden Subjekten besteht, obwohl Nietzsche nichts über den möglichen
funktionalen Zusammenhang von ästhetischen und theoretischen (oder praktischen) Einsichten"\footcite[Vgl.][56]{artisten-metaphysik}
sagt.
V. Gerhardt unterscheidet zwischen der Rechtfertigung der Welt und des individuellen
Daseins. Der Mensch als handlungsfähiges Subjekt ist auf die Interaktion mit den anderen
Menschen und der Umwelt angewiesen, das heißt, um das eigene Leben und Handeln als
sinnvoll zu erfahren, muss das menschliche Subjekt sein eigenes Dasein im „Lauf der
Dinge“\footcite[Vgl.][56]{artisten-metaphysik} verstehen. Bei Nietzsche ist
es nicht möglich, weil die Rechtfertigung der Welt und des eigenen Daseins verschmelzen,
es ist schließlich nur der Mensch selbst, der allem Sinn gibt. Man kann also sein
Dasein nicht in den „Lauf der Dinge“ integrieren, sondern nur in seine eigene Einbildung
oder in den vom Zufall gesteuerten Traum eines höheren Wesens. Kann so etwas als „Rechtfertigung“
und „Sinngebung“ gelten, oder wäre es ehrlicher mit dem Schopenhauers Pessimismus zu bleiben?
Dazu muss man sagen, dass, wenn man den Geist aus der Welt vollständig ausklammert,
als etwas, was empirisch nicht nachgewiesen werden kann (und es ist das Ziel Nietzsches,
ohne eine Hinterwelt auszukommen), es keine bessere Lösung gibt. Eine physische, von
den Naturgesetzen gelenkte Welt ist uns genauso fremd wie der absurde Traum des Dionysus.
Wenn wir unser Dasein als ein Glied in der Geschichte der Menschheit verstehen können,
dann nimmt diese Geschichte ihren Anfang im Nichts und sie wird sich am Ende im Nichts
auflösen. Die individuelle Existenz ist in diesem Modell absolut sinnlos, obwohl es
in ein größeres Ganzes eingebaut werden kann. Das Letzte, was dem Menschen bleibt,
sich und seiner Umwelt selbst einen Sinn zu geben. Und da ist man schon wieder bei
Nietzsche. Dass er die Rechtfertigung des Daseins und diejenige der Welt nicht auseinanderhält,
ist ein richtiger Schachzug von ihm: Die Existenz der Welt ist sowieso sinnlos (oder
wird als solche erfahren), wenn es die menschliche Existenz ist.
Ein anderes Argument, das V. Gerhardt bringt, ist, dass die Kunst, die das Leben
rechtfertigen soll, an Voraussetzungen gebunden ist, die sie dann zu erklären
versucht. In einem anderen Artikel, „Nietzsches ästhetische Revolution“ spricht
er von der „Dequalifizierung des Kunstbegriffs“:
\begin{quote}
Erstens geht der Begriff der Kunst dem des Lebens methodisch
voraus. Allein das vorgängige Verständnis der Kunst ermöglicht, wenn überhaupt noch,
das Leben zu verstehen. Alle anderen Modelle, die von den Wissenschaften bereitgestellt
worden sind - bis hin zur mechanischen Erklärung der Lebensprozesse -, hält Nietzsce
für gescheitert. Nur als Analogon der Kunst ist das Leben noch sinnvoll mit den historisch
inzwischen unumgänglich gewordenen Erfahrungen zu
verbinden.\footcite[25]{revolution}
\end{quote}
Aber andererseits wird das Leben oder bestimmte Erfahrungen im Leben vorausgesetzt, weil
„wenig so stark an ein Gegenteil gebunden ist wie gerade die Kunst. Die ästhetische
Erfahrung braucht, um Stimulans zu sein, die Not und die Enge des
Lebens“,\footcite[64]{artisten-metaphysik} weil die Welt uns sich
selbst nicht als ein Kunstwerk präsentiert.\footcite[Vgl.][65]{artisten-metaphysik}
Dazu kommen noch erkenntnistheoretische Voraussetzungen. Nietzsche erklärt die
Erkenntnis mithilfe der Kunst, aber zunächst muss man \textit{erkennen}, was die
Kunst ist.\footcite[Vgl.][65]{artisten-metaphysik}
Aber leider auch in diesem Fall bleibt einem nichts Besseres übrig. Sagen wir,
ich werde anerkennen, dass die theoretische Erkenntnis ist, was die Kunst begründet
und nicht umgekehrt. Was gibt mir aber die Sicherheit, dass meine Erkenntnis keine
Illusion, keine Einbildung ist? Was gibt mir die Sicherheit, dass meine Erkenntnis
nicht an andere Voraussetzungen gebunden ist, zum Beispiel an die Kunst. Woher kann
ich wissen, dass es nicht die Kunst ist, die die Erkenntnis möglich macht? V. Gerhardt
hat recht, dass die logische Erkenntnis und die Logik der Kunst methodisch vorausgehen,
was aber nicht bedeutet, dass sie ihr auch ontologisch übergeordnet sind. Die Natur
der menschlichen Erkenntnis ist so, dass sie immer reflexiv ist. Erst in der Reflexion
kann man die Frage stellen, ob die theoretische Erkenntnis die Kunst begründet oder
umgekehrt. Wenn man überhaupt keine Voraussetzungen machen will, landet man im Skeptizismus,
aus dem man nicht mehr rauskommt.
Wenn Nietzsche alles der Kunst unterordnet und sagt, dass man sein Leben selbst
künstlerisch gestaltet und es so etwas wie Wahrheit nicht gibt, so bleibt er seinem
Wort treu, egal wie absurd es klingen mag. So schreibt er im Sommer 1883:
\begin{quote}
Man sucht das Bild der Welt in der Philosophie, bei
der es uns am freiesten zu Muthe wird; d.h.\ bei der unser mächtigster Trieb sich
frei fühlt zu seiner Thätigkeit. So wird es auch bei mir
stehn!\footcite[111]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
Ist es ein Selbstwiderspruch? Genau. Das ist die naive Ehrlichkeit, die Nietzsches
Schriften kennzeichnet. Er scheint keine Angst zu haben, sich selbst zu widersprechen,
und tat es absichtlich, weil er von dem Sein wusste, das in sich selbst widersprüchlich
ist, weil er es als Solches erlebt hat. Er versuchte diese Widersprüche in sich zu
vereinigen um dem Sein gerecht zu werden.\footcite[Vgl.][187]{ries:geburt}
Es ist nicht so, wie V. Gerhardt behauptet, dass nur die Kunst das Leben oder bestimmte
Lebenserfahrungen voraussetzt, weil die logische Erkenntnis es auch tut, sie ist an
dieselben Bedingungen gebunden. Das Vorhandensein solcher Menschen wie Friedrich Nietzsche
ist gerade der Beweis dafür, dass man im Leben auch Erfahrungen sammeln kann, die
zu einem ästhetischen Weltbild führen und nicht zu einem logischen. V. Gerhardt fragt,
warum die Welt uns nicht als ein Kunstwerk erscheine?\footcite[Vgl.][65]{artisten-metaphysik}
Man kann auch die Gegenfrage stellen: Warum erscheint uns die Welt nicht als ein logisches
System? Warum stellt Philosophie, wie Klaus Kornwachs sagt, seit zwei Jahrtausenden
Fragen, die sie und keine Wissneschaft beantworten kann?\footcite[Vgl.][7]{kornwachs:technik}
Vielleicht, weil die Welt ein Kunstwerk ist, in das wir unsere logischen Denkgesetze
übertragen? Von dem Standpunkt des Lebens betrachtet kann die Welt nicht nur als ein
logisches, sondern auch als ein ästhetisches Werk gedeutet werden.
Das Problem einer ästhetischen Rechtfertigung der Welt bleibt trotzdem sehr schwer
zu lösen. Das endliche Dasein auf der Erde kann Einem sinnvoll erscheinen, weil nur
wenn jemand begrenzte Zeit im Leben hat, man mehr zu erreichen versucht, und sich
mehr um sein Leben kümmert. Für den Anderen kann es umgekehrt zwecklos sein, sich
um etwas zu bemühen, wenn alles eines Tages sowieso untergeht. Aber ist es nicht bereits
eine ästhetische Rechtfertigung, mit der man versucht seinem Leben Sinn zu erteilen,
indem man entweder sein Leben als eine kurze Theateraufführung versteht, oder ein
geistiges Reich erschafft, in dem man ewig leben kann.
Es stellt sich auch die Frage, warum man sein Dasein überhaupt rechtfertigen soll?
Warum muss man das eigentlich in der Kunst umlügen? Man kann in Schopenhauers Pessimismus
Schwäche sehen, weil er nicht stark genug war, das Ekelhafte und Grauenvolle zu beja-
hen. Man kann aber genauso Nietzsches Pessimismus als eine Schwäche interpretieren,
eine Schwäche, sich der Grausamkeit, Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit Gesicht zu
Gesicht zu stellen. Die Antwort auf diese Frage ist auch nicht von der Erfahrung zu
trennen, die der Mensch im Leben macht. Theoretisch wollte Nietzsche die Kunst als
Stimulans des Lebens begreifen. Aber inwieweit ist es möglich für ein Wesen, das nach
der Wahrheit strebt (und Nietzsche strebt auch nach Wahrheit des Dionysus), an eine
Lüge zu glauben, über die man weiß und die man sich sogar selbst ausgedacht hat. Ist
es möglich auch auf der praktischen Ebene sich dermaßen zu belügen, oder ist die Kunst
doch nur ein Quietiv und hilft nur, das Leben etwas zu verschönern, um nicht an der
Wahrheit zu Grunde zu gehen? Es ist also die Frage, ob man eine theoretische Einstellung
zum Leben auch in der Praxis realisieren kann, wo einem so viele Hindernisse im Wege stehen.

View File

@@ -12,12 +12,11 @@ teaser: |
vollendet sein wird.
</p>
---
\begin{quote}
„Eigentlich sollte ich einen Kreis von tiefen und zarten
\epigraph{Eigentlich sollte ich einen Kreis von tiefen und zarten
Menschen um mich haben, welche mich etwas vor mir selber schützten und mich auch zu
erheitern wüßten: denn für einen, der solche Dinge denkt, wie ich sie denken muß,
ist die Gefahr immer ganz in der Nähe, daß er sich selber zerstört.\footcite[170]{nietzsche:fragmente}
\end{quote}
ist die Gefahr immer ganz in der Nähe, daß er sich selber zerstört.}
{\textit{Herbst 1885 -- Frühjahr 1886}\\\textbf{Friedrich Nietzsche}\footcite[170]{nietzsche:fragmente}}
Der Welt, aus der die Wissenschaft die Geistigkeit vertrieben hat, die genauso
wie ihr Gott „getötet“ und zu einem physischen Mechanismus gemacht wurde, schenkt